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Berlin: Staatsmann im Rathaus Schöneberg

Richard von Weizsäcker hat als Regierender das Image West-Berlins aufpoliert. Heute wird er 85 Jahre alt

Im Rückblick sieht es aus wie Training für ein hohes Amt: Richard von Weizsäcker war Regierender Bürgermeister von Berlin, um Bundespräsident zu werden. Der Eindruck ist vermutlich falsch. Jedenfalls bestreiten Mitstreiter und politische Gegner gleichermaßen, dass von Weizsäcker in den Jahren 1981 bis 1984 weniger das Rathaus Schöneberg als die Villa Hammerschmidt in Bonn im Blick gehabt habe. Als Regierender Bürgermeister war von Weizsäcker ganz bei der Sache, darin sind sich seine Weggefährten einig. Allerdings war sein Interesse an Akten und Vorgängen weniger stark als sein rhetorisches Talent.

Schwer zu glauben, dass dieser Mann, als er 1981 Regierender Bürgermeister wurde, schon ein langes Arbeitsleben hinter sich hatte. Mit 61 Jahren übernahm er ein Amt, das durchaus Konfliktbereitschaft verlangte. In der Stadt lag einiges im Argen. Die Auseinandersetzungen um besetzte Häuser führten gelegentlich zu Straßenschlachten und Krawallen in Kreuzberg und Schöneberg. Von Weizsäcker, der heute auf viele ein wenig konfliktscheu wirken mag, zog im Umgang mit den Besetzern die „Berliner Linie“ durch und ließ die Häuser räumen, wenn deren Besitzer Strafantrag gegen die Besetzer gestellt hatten und die Häuser neu nutzen wollten.

Manches von dem, was die Berliner damals bewegte, wirkt heute wie Kommunalpolitik in einer großen, nicht ganz unkomplizierten Stadt. Der Berliner Wirtschaft ging es schon damals nicht besonders, der zentrale Begriff der Wirtschafts- und Finanzpolitik dürfte „Förderung“ gewesen sein. Man debattierte über die Mietpreisbindung und über den Umgang mit der „Alternativen Szene“, später über die Wiederinbetriebnahme der S-Bahn. Aber darüber hinaus arbeitete von Weizsäckers Senat an der Wiederherstellung des Berliner Images. Der Ruf der Stadt war schlecht, nachdem die Berliner SPD im Skandal um den Subventionsbetrug des Bauunternehmers Garski untergegangen war. Das Berliner Image bestand aus einer düster punkigen Mixtur aus Baufilz, Aussteigertum, zerbrochenen Schaufenstern, Junkies am Bahnhof Zoo und einer politischen Szene, die süchtig war nach Bonner Fördergeldern.

Von Weizsäcker schaffte es, sich in diesem West-Berlin Anzug und Manschetten nicht schmutzig zu machen, sondern etwas Neues anzufangen: Aus der Frontstadt, die durch das Viermächte-Abkommen gesichert war, wurde trotz der Mauer drum herum Deutschlands spannendste Großstadt, in der man vielleicht nicht viel Geld verdienen, aber viel erleben konnte. Von Weizsäcker ließ Politiker wie den Sozialsenator Ulf Fink und Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer machen und schwebte präsidial über einem Senat, der „gute Stimmung“ machte in und für Berlin. So sagt es Walter Momper, der sich auch daran erinnert, wie von Weizsäcker ihn, den frechen Jung-Sozialdemokraten, nach einer boshaften Rede aufzog: „Was kratzt es eine deutsche Eiche, wenn...“ – Momper ergänzte den Rest für sich und hält von Weizsäcker noch heute zugute, dass er der Stadt wieder ein Ansehen gab.

Die Außensicht von Berlin – das waren nicht bloß Altbauten mit Transparenten daran, das war auch von Weizsäcker, der Ronald Reagan begrüßte. Weizsäcker, so sagt es sein damaliger Wirtschaftssenator Elmar Pieroth, wirkte der „Provinzialisierung“ Berlins entgegen. Er habe – das werde über seinem rhetorischen Talent oft übersehen – die Fähigkeit, Begeisterung zu wecken, sagt Pieroth. Und Eberhard Diepgen, damals CDU-Fraktionschef, schwärmt von der „Phase des Aufbruchs“ mit von Weizsäcker, von der „spannendsten Zeit“, abgesehen von der Wiedervereinigung, und vom „neuen Selbstbewusstsein“, zu dem von Weizsäcker den Berlinern verholfen habe. Das waren noch Zeiten.

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