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Berlin: Stadt-Trattoria zu vernüftigen Preisen

Schönhauser Allee 12, Prenzlauer Berg (am Senefelderplatz), täglich durchgehend geöffnet, kein Ruhetag, Telefon: 44017333. Alle Kreditkarten.

Schönhauser Allee 12, Prenzlauer Berg (am Senefelderplatz), täglich durchgehend geöffnet, kein Ruhetag, Telefon: 44017333. Alle Kreditkarten.Bernd Matthies

Überraschend, dass im kulinarischen Angebot der Großstadt immer noch Nischen auftauchen, die von aufmerksamen Wirten besetzt werden wollen. Dabei ist es nicht notwendig, der Vogel-Strauß-Politik gewisser Betriebe zu folgen, die ihr Heil in flambiertem Krokodilschwanz mit Eukalyptusblättern und Kuh a la Lumpur suchen oder den Ehrgeiz haben, der letzte Anbieter Berliner Traditionsgerichte mit Plumpsatt-Garantie zu sein. Nein: Schon ein Blick über ein bis zwei Landesgrenzen fördert Interessantes zu Tage, und wenn ich jetzt sage, dass es um Italien geht, heißt es wieder, der spinnt ja. Tut er aber nicht. Das relativ neue Restaurant in einer überdimensionierten Fachwerk-Villa hoch über der Schönhauser Allee heißt "Treviso", und dieser Name ist wirklich Programm, denn die Küche konzentriert sich auf die Zutaten und Rezepturen, die zwischen Meran und Gardasee, also in einem gewissen Radius um die besagte oberitalienische Stadt geschätzt werden. Sie tut dies in einem modernisierten Stil, und zu Preisen, die mehr als angemessen sind. Klar: Dies ist kein Gourmet-Restaurant, sondern eine Art große Stadt-Trattoria, in der ebenso lässig wie aufmerksam serviert und beraten wird. Eine Entdeckung.

Ohne die Küche gering zu schätzen: Das Beste hier ist sicher das große Angebot norditalienischer Weine zu verblüffend niedrigen Preisen. Im Mittelpunkt steht unweigerlich der Südtiroler Winzerpionier Alois Lageder, dessen Angebot vom einfachen Pinot Grigio bis zum hochrangigen Cabernet "Cor Römigberg" auf der Karte steht, der brillante Pinot Grigio "Benefizum Porer" beispielsweise für 54 Mark. Ebenso empfehlenswert: der Cabernet Sauvignon von Letrari (45 Mark), den man uns freilich in grotesk großen Super-Rotwein-Gläsern servieren wollte; es gibt auch andere, besser geeignete.

Die Sache droben im italienischen Norden ist Polenta. Der Maisgrieß bestimmt auch hier einen nennenswerten Teil der Karte, beispielsweise in Form einer originellen Polenta-Terrine, geschmackstypisch und hübsch anzusehen mit einigen Oliven und dünnen Möhrenscheiben drum herum. Ein Klecks Pesto, etwas mit sicherer Hand angemachter Salat, ein paar kleine Tomaten - prima. Was will man mehr für 12 Mark? Fritierte, mit Gemüse gefüllte Zucchiniblüten, dazu ein paar Scheiben sorgsam gebratener Schwertfisch für scharf kalkulierte 13 Mark 60, sanfte, rosarot gefärbte Kartoffelgnocchi mit Tiroler Speck und Lauch, anstandslos in zwei halbe Portionen geteilt für zusammen 16,90... Man sieht, dass hier die Preise eine größere Rolle spielen als sonst in unseren Berichten, einfach, weil die Preis-Qualitäts-Relation so auffällig gut ist.

Bei den Hauptgerichten ist sie kaum schlechter. Die gut entgrätete Gardaseeforelle (24,90) kam zwar kaum vom Gardasee, doch die Rezeptur mit Oliven, Kapern, Tomaten und viel Zitrone kann so bleiben, zumal der begleitende Radicchiosalat unser Herz mit den hochalpinen Backerbsen erwärmte. Einwände gravierender Art hatten wir nur gegen den sehr aromatischen, aber doch zu trockenen Gamsschlegel mit den ebenfalls auf rätselhafte Weise getrockneten (frittierten?) Buchweizenspätzle, der für 32 Mark das teuerste Hauptgericht war - das alte Problem mit den Schmorgerichten, die nur frisch gut sind. Es wäre wohl besser, so etwas auf Verdacht zuzubereiten und dann umgehend zu verkaufen; für die pfiffigen Kellner garantiert eine leichte Sache.

Fehlen noch die Desserts, die ebenso empfehlenswert geraten wie die meisten anderen Dinge, zum Beispiel knusprig gebackene Polentaknödel auf Waldbeeren mit ein wenig Vanillesauce oder eine luftig-leichte Joghurt-Limonen-Terrine mit marinierten Pfirsichen, alles um die zehn Mark.

Die Mitteilung, dass dieses Restaurant auch eine Gartenterrasse hat, kommt womöglich ein wenig spät. Allerdings ist sie mit dem Blick auf die rummelige Schönhauser ohnehin eher was für Großstadt-Freaks als für ruhesuchende Teilzeit-Urlauber. Egal: Hingehen? Hingehen.

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