zum Hauptinhalt
Kreisverkehr mit Mittel-Oase. So blickt man aus dem 22-stöckigen alten Telefunken-Hochhaus, das heute der Technischen Universität (TU) dient, auf den Ernst-Reuter-Platz.

© Doris Spiekermann-Klaas

Stadtentwicklung in Berlin-Charlottenburg: Der Ernst-Reuter-Platz hat auch Fans

Für den großen Kreisverkehr mit den denkmalgeschützten Bauten rundum gibt es neue Ideen. Vor allem geht es um die Mittelinsel und Radwege.

Es gibt offenbar ganz verschiedene Sichtweisen auf den Charlottenburger Ernst-Reuter-Platz: Auf den Gehwegen rund um den Kreisverkehr äußern sich fast alle Passanten negativ über den Platz, der den Namen des 1953 verstorbenen Regierenden Bürgermeisters trägt. Anders reagieren Besucher auf der Mittelinsel, die man nur durch einen Tunnel des U-Bahnhofs erreicht.

„Da gibt es regelrechte Fans“, hat Architekt Sören Hühnlein bei Befragungen festgestellt. Er ist einer der Gründer des „Aktionsbündnisses Ernst-Reuter-Platz“, das sich seit 2008 für dessen Aufwertung einsetzt.

Die Mittelinsel spiele eine Schlüsselrolle, sie sei ein „von vielen unentdecktes Juwel“, sagt Hühnlein. Besucher seien oft überrascht, wie groß die Anlage ist – und wie ruhig. Speziell im Sommer werde der Autolärm weitgehend vom Rauschen der Wasserfontänen übertönt. Insgesamt habe der Platz „weit mehr Potenzial, als ihm gemeinhin zugetraut wird“.

Das Aktionsbündnis sieht ein „Wahrnehmungsproblem“

Darum ging es am Mittwoch bei einem Informationsabend, zu dem das Regionalmanagement City West, die Universität der Künste (UdK) und das Aktionsbündnis ins „orangelab“ am Platz eingeladen hatten. Hühnlein findet, das denkmalgeschützte Ensemble aus den 50er bis 70er Jahren solle weitgehend unverändert bleiben. „Das Problem ist überwiegend kein bauliches, sondern ein Image- und Wahrnehmungsproblem.“ Man wolle die reizvollen Seiten stärker hervorheben.

Während des Berlin-Marathons lud das Bündnis zum Beispiel in eine „Loge“ auf der Mittelinsel ein, wo Gäste es sich auf Riesen-Kissen gemütlich machen konnten. Gleichzeitig stellte sich die Initiative vor und lud zu Spaziergängen ein. Zuvor wurden auch schon mal Luftmatratzen in den Brunnenbecken zu Wasser gelassen. Hinzu kamen Kunstaktionen, die nächste ist für 2015 in Kooperation mit dem Berufsverband Bildender Künstler (bbk) geplant.

Hühnlein und seine Mitstreiter schlagen vor, die „Bespielung des öffentlichen Raumes“ auszuweiten. Außerdem müsse die Mittelinsel besser erreichbar werden.

Der Stadtentwicklungsverwaltung fehlt noch das Geld

Dafür gibt es Pläne, wie eine Sprecherin der Stadtentwicklungsverwaltung auf Nachfrage bestätigte. Angedacht ist eine Fußgängerampel, die vom Mittelstreifen der Hardenbergstraße zur Platzmitte führt. Die Überlegungen hängen mit einer Sanierung der U-Bahn-Tunnel zusammen. Laut Dirk Spender vom Regionalmanagement wollen die Verkehrsbetriebe 2016 damit beginnen. Die BVG erwäge, den Tunnel zur Mittelinsel zu schließen.

Auch bei den Fahrradwegen ist man sich einig: Wie am Großen Stern in Tiergarten sollen diese breiter werden, damit Radler den Platz in beiden Richtungen umrunden können. Einen Zeitplan hat die Stadtentwicklungsverwaltung allerdings nicht. Für beide angedachten Maßnahmen „stehen zurzeit keine finanziellen Mittel zur Verfügung“, sagte die Sprecherin.

Alle Beteiligten hoffen, dass es in den Erdgeschossen der Gebäude künftig mehr Cafés und andere attraktive Nutzungen gibt. Bisher sind ein Nudel-Restaurant und die Caféteria des Studentenwerks in der 20. Etage des ehemaligen Telefunken-Hochhauses die einzigen Lokale.

Zuletzt war bei einem Workshop 2011 über den Platz diskutiert worden; damals nahm der ehemalige Daimler-Konzernchef Edzard Reuter als Sohn des Namensgebers teil und beklagte den „Niedergang des Platzes“.

UdK-Professor will den Platz entrümpeln

Ideen „gegen Eintönigkeit und Monotonie“ stellte nun der UdK-Professor Alex Arteaga vor. Er ist Mitbegründer des Fachbereichs „Auditive Architektur“. Dabei geht es um den Klang von Orten und dessen Wahrnehmung.

Arteaga will die vom Verkehr geprägte „Klangsuppe“ bekämpfen. Er plädiert für neuartige Ampelschaltungen. Diese würden im ganzen Kreisverkehr zu „Ruhepausen“ führen, in denen Fußgänger alle Kreuzungen überqueren könnten. Außerdem will er den Platz „entrümpeln“: Parkplätze, Fahrradständer, Bushaltestellen, Pflanzenkübel und Beete, Werbetafeln und die Flaggenmaste sollen weg.

Darüber hinaus schlägt Arteaga einen doppelwandigen Glaspavillon auf der Mittelinsel vor. Das schallisolierte „temporäre Observatorium“ wäre kein Turm, sondern eine 40 Meter lange Aussichtsplattform auf einem 1,35 Meter hohen Podest. Am Besucherinteresse werde es nicht mangeln, glaubt Arteaga. Der Pavillon solle der Auftakt für weitere „architektonische Interventionen“ auf der Mittelinsel werden, es könne dazu einen Wettbewerb geben.

Bezirksbaustadtrat Marc Schulte (SPD) nannte diese Ideen interessant, wies aber auf die ungeklärte Finanzierung hin. Auch im offiziellen „Workshopverfahren“ des Senats gebe es mitunter Hürden. So hätten die Denkmalschutzbehörden breitere Radwege zunächst abgelehnt, weil Blumenkübel weichen müssten. Inzwischen hätten die Denkmalschützer aber wohl eingesehen, dass es Wichtigeres gebe.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false