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All Nations Festival: 24 Länder unter einer Decke

Am Sonnabend öffnen viele Botschaften beim All Nations Festival ihre Türen. In diesem Jahr geht es um Schlafgewohnheiten.

Maliha Zulfacar beugt sich über die bunte Wiege. Ihre bestickte Jacke passt zu Kissen und Decke. Aber wo ist das passende Baby? „Wir müssen noch eine geeignete Puppe finden“, sagt Zulfacar, Botschafterin von Afghanistan. Ihre Kinder sind längst erwachsen, ebenso wie die Söhne von Leila Noor. Die afghanisch-deutsche Designerin kniet neben der Botschafterin an der Wiege: „Das erledige ich bis Sonnabend“, sagt sie.

An diesem Tag öffnen für das All Nations Festival 24 Botschaften ihre Türen für die Berliner – zum siebten Mal. Außerdem ist das Europäische Haus dabei. Das Motto in diesem Jahr: schlafen. „Das ist ein universelles Thema, das sich gut für Vergleiche zwischen den Kulturen eignet“, sagt Organisatorin Angelika Hirschmann. Afghanistan ist zum ersten Mal dabei. Wie die meisten Botschaften haben sich die Repräsentanten des Landes am Hindukusch auf das Thema Schlafen vorbereitet.

Botschafterin Maliha Zulfacar, die erst seit vergangenem Jahr im Amt ist, freut sich über das Motto: „Sonst geht es im Zusammenhang mit Afghanistan immer um Krieg. Jetzt können wir den Deutschen endlich mal die vielen Facetten unserer Kultur und Gesellschaft zeigen.“ Traditionelle Speisen wie „Ashak“ werden die Berliner am Sonnabend kennenlernen, eine Art Ravioli, gefüllt mit Lauchzwiebeln oder Hack. Aber vor allem die Schlafgewohnheiten im Land. Oft schliefen bis zu sieben Personen auf der traditionellen geheizten Bettstatt „Sandalie“, sagt die Botschafterin. So ein niedriges Holzmöbel mit integriertem Ofen wird ebenfalls zu sehen sein. Und Babys würden zum Schlafen, aber auch tagsüber mit Bandagen umwickelt, um die Ärmchen zu fixieren. Das soll bis Sonnabend auch mit der angeforderten Babypuppe für die Wiege geschehen.

„A-lalo-e gol-pesaar“, singt man den eingewickelten Babys in Afghanistan zum Einschlafen vor. „Das ist ein sehr altes Lied“, sagt die Botschafterin. Auch sie hat es ihren Kindern vorgesungen: „Mein Blumenkind, die Mutter stets an deiner Seite,bis du ins Reich der Träume schlummerst“. Aber dann kommt doch wieder der Krieg vor: „Oh Sohn, du wirst Soldat.“ Wie die Afghanen haben viele Länder ein traditionelles Schlaflied für das Festival herausgesucht. Sie sind im Festival-Pass abgedruckt. Für die größeren Kinder gibt es in Afghanistan statt des Gesangs eine Geschichte von der Großmutter zum Einschlafen, Aschenputtel in der afghanischen Version zum Beispiel. Viele Sagen dort seien so ähnlich wie die Deutschen Märchen, sagt Leila Noor.

Ihre Jacke ist ebenso bunt bestickt wie die der Botschafterin. Sie hat die Kleidungsstücke und Kissen entworfen – aus antiken afghanischen Stoffen. Und ist extra aus Bremen gekommen, um sie beim Festival auszustellen. Sie kombiniert die afghanischen Stoffe mit neuen europäischen – Harmonie zwischen zwei Kulturen will sie damit ausdrücken. Bekannt wurde sie mit Cocktailkleidern, die sie aus Burkas schneiderte. „Ich deute das Symbol der Unterdrückung einfach um“, sagt sie. Mit 18 kam die Designerin zum ersten Mal nach Deutschland – aus dem Reich der Burka ins Land der Daunendecke: Plumeaus kannte sie nicht – und fand sie viel zu schweißtreibend und schwer. In Afghanistan schläft man unter bestickten Baumwolldecken.

Viele Länder sind aber noch weiter entfernt von der deutschen Daunendecke: In Lesotho, dem „Königreich im Himmel“, schlafen Kinder auf fellbedeckten Baumästen. Auch die Erwachsenen dort gehen schon bei Sonnenuntergang schlafen. In Malaysia weben sich die Fischer Schlafmatten aus den Blättern des Schraubenbaums. Vorher werden die Blätter gekocht, gereinigt und von den scharfen Dornen befreit. In Venezuela schlummern manche in Hängematten. In Nepal verraten Schlafstätten viel über den gesellschaftlichen Status des Besitzers: Die Ärmsten schlafen auf dem Boden. In den kirgisischen Yurten hingegen tun das alle. In Indonesien hat das geschnitzte Himmelbett Tradition und in Marokko Schlafsofas. Malta ist eins der wenigen europäischen Länder, die am Festival teilnehmen. Dort schläft man eigentlich „europäisch“. Nur Daunendecken gibt es nicht. Klingt wie das perfekte Urlaubsziel für Leila Noor.

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