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Pete Doherty

© AFP

Auftritt der Woche: Abschied von der Gosse

Konzerte von Pete Doherty waren bislang Glückssache. Viele Auftritte des britischen Musikers mussten auf Grund seines Zustandes abgesagt werden. Jetzt scheint er clean zu sein und kommt samt seiner Band Babyshambles nach Berlin - wo sich einige seiner Exzesse abgespielt haben.

Um Pete Doherty und seine Exzesse, Aussetzer, Ausfälle gibt es viele Geschichten, einige spielen in Berlin. Den Anhängern seiner Babyshambles, die sich am Mittwochabend vor der ausverkauften Columbiahalle versammeln werden, ist Frustrationstoleranz und Standfestigkeit zu wünschen. Das Konzert im benachbarten Columbia Club im Mai 2006 jedenfalls begann erst nachts um halb zwei, mit viereinhalbstündiger Verspätung. Zu seinem Auftritt im Postbahnhof ein halbes Jahr später trat Doherty gar nicht erst an: Angeblich hatte er seinen Reisepass verlegt. Und die Europatour Ende 2005, die ebenfalls in die Berliner Columbiahalle führen sollte, wurde gleich komplett gestrichen. Ebenso erging es dem „Berlinova“-Festival im Herbst 2006 in der Waldbühne, aber gut, dafür konnte Pannen-Pete nun wirklich nichts: Das Konzert kollidierte mit dem Feuerwerksfest „Pyronale“, einer musste eben weichen.

Wer an Doherty denkt, denkt zugleich an Drogen, Kate Moss, Knast, Prozesse, Therapien und wieder Drogen. Er war in letzter Zeit medienpräsent wie kein anderer Indie-Rocker. Die Beziehung zu dem Model, die im Sommer zerbrach, machte ihn weltweit bekannt, unabhängig von seiner Musik. Die Boulevardpresse hatte ein neues Skandalpaar gefunden, das alle Rock’n’Roll-Klischees bediente: Beide nahmen Drogen, führten eine aufregend-aufreibende Beziehung, trennten sich immer wieder. Es war die schmutzigste Lovestory der vergangenen Jahre und wurde vielfach mit anderen legendären Beziehungen im Musikgeschäft verglichen, etwa der von Sex-Pistols-Sänger Sid Vicious und Nancy Spungen. Doch so tragisch wie bei denen ging es mit Pete und Kate nicht zuende. Zuletzt wurde er beim Fremdgehen erwischt, flog raus.

Bei vielen der Doherty-Skandale und -Skandälchen weiß man nicht, was davon wahr, was eine Erfindung von Boulevardjournalisten ist. Immerhin gibt es eine ganze Reihe bekannter biografischer Fakten: 1996 lernte der Sohn einer Krankenschwester und eines britischen Soldaten Carl Barât kennen. Mit ihm konnte er die Liebe zur Poesie und das Dandyhafte teilen. Doherty, der in der Schule mit Bestnoten glänzte und in Oxford hätte studieren können, entschied sich für die Kunst. Die beiden Exzessfreunde teilten sich eine Zwei-Zimmer-Wohnung in London und begannen mit dem Schreiben von Songs und Gedichten. Und mit dem Drogenkonsum. Beide gründeten The Libertines, spielten in Wohnzimmern, Pubs, der U-Bahn. „Britpop trifft Baudelaire“ schrieb ein Kritiker.

Nach Blur und Oasis war es lange Zeit still im Land des Britpops. The Libertines kamen zur rechten Zeit. 2002 brachten sie ihr erstes Album „Up The Bracket“ heraus und wurden schlagartig englandweit bekannt. Pete nahm in dieser Zeit immer mehr Drogen: Heroin, Crack, Kokain. Immer wieder hatte er Ärger mit der Polizei. Beim zweiten Album „The Libertines“ hatten ihn die Drogen im Griff. Und Kate Moss hatte ihn auch. „What Katie did“ hieß seine Liebeserklärung auf dem sehr erfolgreichen Album. Doch die Drogen und die Beziehung zu Kate ließen The Libertines zerbrechen: Als Pete auf einer Tour wegen seines starken Heroin-Konsums in London blieb, brach er bei dem Freund ein, klaute Laptop, Gitarre, CD-Player, um sich Drogen zu kaufen – und wanderte für zwei Monate in den Knast.

Nach den Libertines kamen die Babyshambles. Die Musik wurde düster, das Tempo langsamer. Die erste Platte „Down in Albion“ bestach durch den unverwechselbaren Werkstattsound. Die Hymne „Fuck Forever“ auf diesem grandiosen Album passt gut zum Mythos Pete: Kate Moss und er lebten eine Beziehung am Rande des Wahnsinns, dann kam ihr Kokainskandal, Pete musste immer wieder vor Gericht und ging im vergangenen Sommer, nach Ende der Beziehung, in den Entzug. Clean ist er wohl bis heute. Sagt man so.

Anders als früher hat er die Tour zum neuen Album „Shotters Nation“ bislang durchgespielt, und so sieht es für die Fans vielleicht doch ganz gut aus, dass er in Berlin spielen wird. Doherty hat sich von seinem Gossen-Image verabschiedet, vielleicht war er auch nie das, was über ihn berichtet wurde. Er kümmerte sich um seine Songs, nahm Lieder mit Amy Winehouse auf, tourt erfolgreich und ist von Kate weg. Vor kurzem sagte er, sie habe ihn nie verstanden, seine Musik nicht gemocht. Das habe ihn geärgert. Wie es weiter geht – wir werden es lesen, sehen, hören. Der Medienstar ist omnipräsent. Aber was wirklich zählt, sind seine Songs und die Konzerte. Die sind verdammt gut und authentisch – wahrer Rock'n'Roll.

Ric Graf

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