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BERLIN Bücher: Duelle im Dunkeln

Ausgekochte Doppelagenten, Kidnapping, Verfolgungsjagden, als Unfall inszenierte Attentate, Abhöraktionen, raffiniert eingefädelte politische Unterwanderungen, Sex-Spioninnen: Alles schon dagewesen in Berlin. Die einstige Frontstadt des Kalten Krieges liefert Thrillerautoren bis heute jede Menge Stoff für packende Geschichten aus der Dunkelzone der Spionagedienste.

Ausgekochte Doppelagenten, Kidnapping, Verfolgungsjagden, als Unfall inszenierte Attentate, Abhöraktionen, raffiniert eingefädelte politische Unterwanderungen, Sex-Spioninnen: Alles schon dagewesen in Berlin. Die einstige Frontstadt des Kalten Krieges liefert Thrillerautoren bis heute jede Menge Stoff für packende Geschichten aus der Dunkelzone der Spionagedienste. John le Carré fand hier beispielsweise 1963 eine Steilvorlage für seinen später mit Richard Burton verfilmten Roman „Der Spion, der aus der Kälte kam“. Doch die Realität allein ist schon fesselnd genug. Das macht die Lektüre des neuen Buches „Hauptstadt der Spione“ schnell klar.

Der Berliner Journalist Sven Felix Kellerhoff und der Historiker und Kurator des Alliiertenmuseums, Bernd von Kostka, haben es geschrieben. Von Kostka schildert den Aufbau der alliierten Geheimdienstorganisationen im „Spionage-Drehkreuz zwischen Ost und West.“ Bevor ein eigenes Agentennetz geknüpft werden konnte, kaufte der US-Geheimdienst CIA Informationen ein – so bei Überläufern der sowjetischen Besatzungstruppen. Das Problem dabei: Hatte der Informant keine neuen Nachrichten, erfand er sie einfach. Zugleich waren die Voraussetzungen aber ideal, um schnell verlässlichere Mitarbeiter zu rekrutieren. Man gelangte noch leicht auf das Gebiet des Gegners und profitierte von der Flüchtlingswelle. Etliche, die der DDR den Rücken kehrten, gingen als angeworbene Agenten wieder zurück. Nach dem Mauerbau 1961 war diese Goldgräberstimmung aber vorbei. Nun musste man mit toten Briefkästen arbeiten, baute den Rudower Abhörtunnel oder die riesige Abhörstation auf dem Teufelsberg.

Doch auch die Gegenseite spionierte was das Zeug hielt. Trumpf-As des sowjetischen KGB war beispielsweise in den 80er Jahren der US-Soldat James W. Hall. Er verkaufte bis zu seiner Verhaftung 1988 mehrere tausend brisante Dokumente vom Teufelsberg an den KGB.

Sven Felix Kellerhoff erzählt im zweiten Teil, wie auch deutsch-deutsche Spione bei diesem Duell im Dunkeln mitspielten – von der Gruppe Ulbricht, Erich Mielke, Markus Wolf & Co. in der DDR und den Anfängen des Bundesnachrichtendienstes unter Reinhard Gehlen bis zur Unterstützung des RAF-Terrors durch die Stasi. Schurkenstücke wie die Entführung des Juristen Walter Linse in Lichterfelde-West gehören dazu oder der spektakuläre Seitenwechsel des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Otto John, im Jahr 1955.

Vorsicht! In der S- oder U-Bahn sollte man dieses ideale Geschenk für berlinbegeisterte Krimifans auf keinen Fall lesen. Man vergisst dabei leicht, rechtzeitig auszusteigen. Christoph Stollowsky

Sven Felix Kellerhoff/Bernd von Kostka:

„Hauptstadt der Spione. Geheimdienste in Berlin im Kalten Krieg“, Berlin Story Verlag. 240 Seiten, 19,80 Euro.

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