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Herz am rechten Fleck. Die Models des Labels Blutsgeschwister werben auf der Messe. 

© Doris Klaas

Bread & Butter: Das Lächeln kehrt zurück in die Mode

Die Messe Bread & Butter ist nur für Experten? Von wegen. Unser Autor hat sich hingewagt. Und den Smiley wiederentdeckt.

Zum Beispiel Jeans. Das neue Ding wird die 508, sagt der Mann bei Levi’s. „Skandinavian-Look nenne ich das.“ Oben schön weit, unten superskinny. Also quasi Karotte. „Warum denn schon wieder Karotte?“ Na ja, das sei eben, wo die Reise jetzt hingeht. Ein paar Stände weiter sieht Uwe, der Denim-Experte von Pepe Jeans London, die Sache ein bisschen anders. Der momentane Renner sei doch eher Regular. Und Bootcut. Und weit ausgestellte Flare-Hosen. Uwe wirkt sehr sympathisch. Man will ihm unbedingt glauben.

Vielleicht erstmal Kopfhörer. Die findet man auch auf der Messe, hinten links im Seitenhangar hat die schwedische Firma Coloud ihren Stand aufgebaut. Die Modelle sind schön bunt, auf den Seiten Gesichter gedruckt: Darth Vader, Betty Boo, der Verkaufshit Hello Kitty. Motive aus Krieg der Sterne gehen eher mäßig. Warum das denn? Die Händlerin schaut irritiert. „Tja, da müsste man jetzt eine Diplomarbeit drüber schreiben.“

Wir brauchen einen Mann mit Außenblick, hat die verantwortliche Redakteurin am Telefon gesagt. Jemanden ohne fachliches Vorwissen, der sich mal umguckt und schaut, wie man als Laie die Fachmesse Bread & Butter wahrnimmt. Ob man ihr wohl trotzdem etwas abgewinnen kann. Ein Alien quasi. Es gibt schmeichelhaftere Arbeitsaufträge.

Was auf dem Flughafengelände als erstes auffällt: Der Branche geht es verdammt gut. Sonst wäre nicht so viel Geld da für aufwändige Dekorationen. Die großen Jeanslabels residieren in haushohen Boxen. Manche haben Palmen hergeschleppt, Sandberge hingeschüttet, Londsdale hat einen Boxring, auf dem Rollfeld gibt’s eine Rasenfläche zum Entspannen. Bei Calvin Klein verteilen sie großzügig „CK One“-Proben. Vier Mal vorbei geschlendert. Jahresvorrat.

Tommy Hilfiger hat gleich einen eigenen Pool aufstellen lassen. Da schwimmen jetzt Models drin. Die Seitenwände sind aus Glas, so dass Männer davor stehen können und gucken, wie es dort unter der Wasseroberfläche aussieht. Die Models haben nicht viel zu tun in diesem Pool. Zeit für Small Talk. „Und, wie alt bist Du jetzt?“, fragt der junge, muskulöse Mann seine Poolnachbarin. „25“ – „Echt? Wahnsinn, meine Ex-Freundin war auch 25.“ Später werden sich die beiden einen Plastikball zuwerfen.

Trend in Sicht. Das Smiley-Konterfei aus den 90ern kommt wieder in die Läden.

© Doris Klaas

Ein Rundgang über die Messe gleicht einem Blick in die Zukunft, hat die Kollegin vorher gesagt. Weil hier alles zu sehen ist, was nächstes Jahr im Februar, spätestens März in die Läden kommt. Wenn das stimmt, können wir uns freuen. Dann kehrt nämlich endlich das Lächeln zurück. Der Smiley, den in den 90ern erst alle tragen wollten und dann plötzlich unsagbar uncool fanden. Eine Londoner Firma hält die Rechte am Konterfei, 2012 will sie Smiley-Shirts in deutsche Modeläden bringen, das Gesicht aufgedruckt, aufgeklebt, aufgestickt, in traditionellem Gelb, aber auch in Pink und in kunterbunt. Offiziell für die 14- bis 30-Jährigen, aber wer wird sich davon abhalten lassen.

Was auf anderen Messen der Kugelschreiber, ist auf der Bread & Butter der Fächer. Ständig bekommt man einen zugesteckt, in Gedanken wird die Beute unter den Daheimgebliebenen verteilt. Es werden auch dauernd Handy-Fotos gemacht. Die begehrtesten Motive: Vettels Formel-Eins-Wagen in der Eingangshalle. Der halbnackte Mann mit Kampfhund auf der Schulter, zu sehen auf einem Poster von Bench. Bei One Green Elephant versuchen Hostessen, auf Highheels Tischtennis zu spielen. Sieht gequält aus. Klick.

Es gibt viel Ironie auf dieser Messe. Das deutsche Label Hüftgold macht offensichtlich keine Mode für Mollige. Die schicken Kleider von Supertrash aus Kalifornien sind hochwertig und keineswegs billig. Und beim Großlabel „Diesel“, das seit langem mit dem Ruf zu kämpfen hat, seine Kunden seien nicht die klügsten und feinfühligsten, steht in großen Lettern an der Wand: „Land of the stupid and home of the brave“. Ist hier denn gar nichts ernst gemeint? Im linken Hangar präsentiert sich die amerikanische Marke „Just a Cheap Shirt“. Und tatsächlich: T-Shirt für 7,90 Euro. Das teuerste 15 Euro. Sehen gut aus.

Man kann wunderliche Dinge sehen auf dieser Messe. Auffällig viele Männer tragen Halbschuhe ohne Socken. Man möchte ihnen zurufen: Das gibt doch Stinkefüße. Aber lieber nicht, die Herren sind vom Fach. Bei Stetson, den Filzhut-Königen, setzen sie nächstes Jahr auf Safari- Style. Mit Farben, die wirken, als hätte die Wüstensonne lange draufgeschienen. Höhepunkt wird ein Tropenhelm für 149 Euro. Kann man den wirklich auf der Straße anziehen? Die Händlerin wägt ab und entscheidet sich für eine diplomatische Antwort: „Wäre gewagt, aber cool!“

Vieles verwirrt einen Laien auf der Bread & Butter. Manches beunruhigt. Aber eins überwiegt deutlich: Faszination für diese ganz eigene Welt, diese wuselnden Massen, die hier Geschäfte machen und dabei so entspannt aussehen und herzlich untereinander. Wenn diese Leute entscheiden, was nächstes Jahr in ist und was out, kann 2012 nicht so schlecht werden.

Am Stand von Antique Rivet wartet ein alter Bekannter. Man erkennt ihn erst nicht, mit seinen hochgegelten Haaren und seinem arg weit aufgeknöpftem Hemd. Aber wenn er die gigantische Sonnenbrille abnimmt, dann guckt einen Marc Terenzi an. Der Popsänger. Sarah Connors Ex. Jawohl, er mache jetzt Mode, sagt Terenzi. Als Partner bei Antique Rivet. Er habe gemerkt, wie scheußlich er in seinen alten Musikvideos gekleidet war. Und jetzt habe er viele „crazy, creative ideas“ für Jeans. Im Moment muss er noch viel über die Branche lernen, sagt er. Zum Beispiel die Sache mit „stone washed“. Er habe nie gedacht, dass das wörtlich zu nehmen ist. Dass sie wirklich Steine zu den Textilien in die Wäsche legen. „Aber weißt Du was? Genau das tun sie“, sagt Terenzi und grinst. Er ahnt nicht, wie sehr sein Gegenüber ihn versteht. Herzliche Verabschiedung, viel Glück, Marc, bis bald. Und schnell nochmal bei Calvin Klein vorbei.

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