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Stadtleben: Der Herr der Farben

Götz Valien malt Kinoplakate – in Deutschland ist er wohl der Letzte seiner Zunft

„Cate Blanchett einfach wieder weiß zu übermalen, hat schon weh getan“, erzählt Götz Valien und sieht dabei sehr wehmütig aus. Schließlich war es nicht nur die Frau darauf, sondern auch die Arbeit dahinter, die wieder übermalt wurde, seine Arbeit – Valien ist wohl der letzte Kinoplakatmaler in Deutschland.

Auf dem Hinterhof gleicht die Werkstatt von „Werner Werbung“ einer heruntergekommenen Scheune. An der Fassade stehen ramponierte Hollywood-Stars auf Leinwand, auch ein Berlinale-Logo aus dem Jahr 2003 ist dabei. Im Inneren türmen sich Hunderte von Farbbechern auf dem einzigen Schrank, von dem man nur erahnen kann, dass er unter einer dicken Farbschicht aus Holz besteht.

Der hagere Mittvierziger steht in einem roten Overall voller bunter Klekse und grauer Schiebermütze vor einem Teil einer riesigen Leinwand. In der linken Hand hält er eine Vorlage, in der Rechten eine Spritzpistole. Zügig schießt er die Farbe auf die bis zu 70 Quadratmeter großen Leinwände, der Kompressor jault laut auf. „Das erste Plakat, an dem ich mit gemalt habe war Hook, da war ich noch sehr ehrfürchtig und habe meine Zeit gebraucht. Das ist nun schon 15 Jahre her“, sagt er. „Heute brauche ich für ein Plakat einen Tag.“ Auch für die diesjährige Berlinale lieferte er Plakate.

Götz Valien, gebürtiger Salzburger, wollte eigentlich Kunstmaler werden. Nach fünfjährigem Studium an der Kunstakademie Wien hatte er die Nase davon erst einmal voll. Lieber wollte er Filme machen, also schrieb er Drehbücher. Auf dem Weg nach New York kam dann alles anders. Er lernte einen Plakatmaler kennen und dachte: „Das kann ich auch.“

Bevor große Multiplexe die meisten der City-West Kinos, wie das Marmorhaus, den Gloria-Palast, die Filmbühne-Wien, das Astor und andere, verdrängten, gab es für den kleinen 1944 gegründeten Betrieb reichlich Aufträge. Zeitweise arbeiteten zwölf kreative Köpfe für das Familienunternehmen, heute sind es noch zwei feste Mitarbeiter. Riesenplakate waren seit den 20er Jahren typisch für das Berliner Kino, mehrere Dutzend Kinomalereien beschäftigten vor dem Krieg bis zu hundert Mitarbeiter. Heute gibt es nur „Werner Werbung“, die für die Yorck-Kino-Kette die Plakate malt. Für die Kinobetreiber ist das eine Geschmacksfrage. „Gemalte Kinoplakate sehen viel schöner und besonders aus.“

Dass er in der Regel nur eine Vorlage abmalen muss, stört den Künstler nicht. Die Mitarbieter der Filmverleiher hätten sich schließlich genug Gedanken über Motiv, Anordnungen, Schriftgröße und Schriftart gemacht. „Jedes meiner Plakate ist trotzdem irgendwie anders“, sagt Götz Valien und verweist auf ein aktuelles Plakat zum Film „Drachenläufer“, in dem der Drachen tiefer hängt als auf dem Original.

Bei der Erinnerung an frühere Arbeiten gerät er ins Schwärmen. „Der Film ,Babel’ war einfach grandios, aber das Plakat war richtig hart. Da waren sechs Bilder drauf, ganz Tokio bei Nacht und eine sechs- oder siebenspurige Autobahn mit Autos. Das hat mich zwei Tage Arbeit gekostet.“ Götz Valien lächelt dabei. Ganz ernst meint er es wohl nicht, man hört den Stolz dabei heraus.

Wenn Valien ein Plakat fertig hat, übernimmt Rashid die weitere Arbeit. Er beschriftet die Leinwände. Der kleine, korpulente Türke aus Izmir arbeitet seit 18 Jahren für die Werners. Seit er elf Jahre alt ist, arbeitet er als Schriftmaler. Konzentriert umrandet er die Schrift mit feinen Bleistiftstrichen und malt bedächtig und vorsichtig aus. Die Zeit scheint dann still zu stehen. Auf die Frage, wann er denn das letzte Mal im Kino gewesen sei, schweigt er kurz, um dann mit einem kleinen Kichern zu antworten: Das war „Kevin alleine zu Haus“. Nathalie Boensch

Nathalie Boensch

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