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Zeit-Gewinn: Der Papst, der pafft

Josef Fischnaller verehrt die Gemälde alter Meister wie Caravaggio, Rubens, Rembrandt In seinen Fotos zitiert und ironisiert er sie: Die Kostüme sind aus Papier, Folien oder Leckerlis

Die junge Frau trägt Würstchen als Kopfputz, sorgfältig ondulierte Spaghetti-Nester als Haar und einen üppigen Halsschmuck aus weißen Speckmäusen. Dazu die würdevolle Pose und den stolzen Blick einer geborenen Königin. Die war sie auch mal, denn das ironische Fotomotiv ist eine verfremdete Kopie: Die der von Barockmaler Diego Velázquez gemalten spanischen Infantin.

In der Ausstellung „Zeit-Gewinn“, die Montagabend in der Charlottenburger Galerie Friedmann-Hahn eröffnet wurde, heißt das Bild „Infantin Eva“. Inszeniert und fotografiert hat es Josef Fischnaller, der die Idee zu diesem Alte-Meister-Gag hatte. Fischnaller ist Österreicher, 45 Jahre alt, hat ein Fotostudio in Kreuzberg, wohnt mit Familie seit zehn Jahren in Westend und fotografiert alles – von Schuhwerbung über Bill Clinton bis zu Filmplakatmotiven, zuletzt das für den Bushido-Film. Die alten Meister des 16. bis 18. Jahrhunderts hat er als Sohn eines Malers schon als Junge verehrt. Er sei mit Farben aufgewachsen, erzählt Fischnaller, „doch selbst zeichnen oder malen, das wurde einfach nichts.“ Aber „mit der Kamera mit Licht zu malen“, das habe geklappt. Besonders der frühbarocke Maler Caravaggio hat es Fischnaller angetan: Der sei der erste gewesen, der fotorealistisch und mit Kunstlicht gearbeitet habe, sagt er. Und „ein echter Feger“ sei der Italiener außerdem gewesen. Leider ja verarmt gestorben.

In der Gefahr schwebt Josef Fischnaller nicht. Seine ausgestellten Fotografien kosten 1400 bis 7700 Euro und tragen zum Teil schon vor der Eröffnung einen Punkt für „reserviert“ oder „verkauft“. Das könnte auch was damit zu tun haben, dass der Fotograf nicht nur Freunde in gebrochener Alte-Meister-Pose abgelichtet hat, sondern auch Freunde von Freunden, wie die Sängerin Romy Haag, die mit blankem, retouchiertem Po als „Venus“ nach Peter Paul Rubens posiert.

„Eigentlich wollte ich das gar nicht“, sagt Fischnaller, denn nichts sei langweiliger, als Promis für solche Projekte einzuspannen und Bilder sollten sowieso für sich sprechen. Gemacht hat er es aber doch. Oliver Hirschbiegel etwa, der Regisseur von „Untergang“, posiert mit Adlernase und in Frauenkleidern sehr überzeugend als „Jane Seymour“ nach Hans Holbein. Wie er ihn dazu bekommen hat? „Wir sind seit 25 Jahren Freunde“, sagt Fischnaller, der auch sonst beste Kontakte zur Filmbranche pflegt. Seine Ehefrau ist Kostümbildnerin und hat die Kostüme für den Oscar-Gewinner „Die Fälscher“ von Stefan Ruzowitzky entworfen. Auch ein Freund von Fischnaller, der sich noch in Gaga-Ornat knipsen lässt.

Den Profis der heimischen Kostümabteilung ist auch der Detailreichtum der aus Lebensmitteln, Papier, Folien, Gaffertape und ähnlichem Bastelbedarf gebauten Kostüme zu verdanken. Geknüllte Schampuskorkenfolie taucht auch häufig auf. „Wir trinken gern Champagner“, sagt Fischnaller, der Stammgast in der Paris Bar ist. Deren Patron Michel Würthle hat ebenfalls für ihn Modell gesessen: als streng blickender, Zigarette rauchender Papst Alexander VII., der einen bestickten Papier-Eiffelturm vor sich stehen hat.

Seiner Wahlheimat Berlin widmet Fischnaller auch was auf seinen neobarock ausgestatteten, altbarocken Fotos: alle Hintergründe. „Ein irrer Spaß“ sei das Projekt, sagt er. Den hat er ganz bestimmt.

Galerie Friedmann-Hahn, Wielandstraße 14, Charlottenburg, bis zum 17. April, Di-Fr 14-19, Sa 12-15 Uhr

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