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Stadtleben: Der Reiz des Verfalls

Ein opulenter Bildband feiert die Bauwerke Preußens

Preußens Glanz hat stumpfe Stellen – selbst wenn man sich ganz auf Preußen, den Kulturstaat, konzentriert. Der Fotoband „Preußens Glanz“ stellt die künstlerisch-architektonischen Hinterlassenschaften der Hohenzollern in Berlin, Potsdam und im Land Brandenburg vor. Königliches Arkadien im Hier und Jetzt. Glanz und Elend liegen dort dicht beisammen. Das von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg verwaltete Kulturerbe ist in seiner Substanz gefährdet. Hartmut Dorgerloh, Generaldirektor der Schlösserstiftung, hat unlängst den Sanierungsbedarf der ihm anvertrauten Gebäude, Interieurs und Parks auf 738 Millionen Euro beziffert.

Leugnen können auch Leo Seidels opulente Farbfotografien den Verfall nicht. Im Gegenteil: Schon das Covermotiv, der an Italienträume erinnernde fantastische Mittelbau der Orangerie von Sanssouci, bezieht einen eigentümlich frivolen Kick daraus, dass die aufgehende Sonne zwischen maroden Säulen hervorlugt. Seidel, Jahrgang 1977 und am Berliner Lette-Verein ausgebildet, liefert genau jene Art technisch raffinierter Aufnahmen – Sonnenauf- und Untergänge, Nebelschwaden und Morgenröten inklusive –, nach deren Beschau die Realität nur noch enttäuschen kann.

In merkwürdigem Kontrast zur süßlichen Üppigkeit von Seidels Fotos stehen die von Hans-Joachim Giersberg, Dorgerlohs Amtsvorgänger als Generaldirektor der Stiftung, beigesteuerten Texte. Als profunder Kenner der Berlin-Potsdamer Schlösserlandschaft schreibt er altmodisch-informativ und nüchtern im Tonfall. Zu jedem der 32 für Besucher geöffneten Häuser der Stiftung hat Giersberg Einführungstexte geschrieben, dazu bewährt präzise Bildunterschriften.

Für den schnellen Überblick über Berlin-Potsdamer Fürstenherbergen, vom Renaissance-Jagdschloss Grunewald bis zum „englischen“ Cecilienhof des späten Kaiserreichs, ist der Band durchaus nützlich: trotz Preußen-Glanz in Hochglanz.



— Hans-Joachim Giersberg und Leo Seidel:
Preußens Glanz. Königsschlösser in Berlin und Brandenburg. Prestel Verlag, München. 192 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 29,95 Euro.

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