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Fans feiern am Kurfürstendamm.

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Deutschland schlägt England: Berlin feiert und hupt - auch die Polizei ist zufrieden

300.000 Menschen bejubelten auf der Fanmeile den 4:1-Sieg über England. 10.000 feierten am Ku'damm und in der Schönhauser Allee - in Frankfurt (Oder) gab es Krawall.

Schwerpunkt der großen Berliner Straßenparty war das Kranzler-Eck. Das hat Tradition: Schon der WM-Sieg 1990 und der EM-Sieg 1996 wurden dort ausgelassen gefeiert. Einige Fans hatten nun Megaphone dabei, riefen die Namen der deutschen Torschützen und forderten die Menge immer wieder auf, sich hinzusetzen und wieder aufzuspringen. Die Kreuzung Ku'damm/Joachimstaler Straße war eine einzige spontane Partyzone.

Auch an der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg, einer Fanmeile mit etwas jüngerer Tradition, hatten sich wieder etwa 600 feiernde Fans versammelt. Beim ersten Deutschland-Spiel gegen Australien war dieser Jubel noch spontan und hat die Polizei überrascht. Seitdem ist sie vorbereitet: Auch hier wurde abgesperrt sowie der öffentliche und private Verkehr umgeleitet. Um 19.40 Uhr wurden die Sperren bereits wieder aufgehoben. Die Party ebbte ab. Die Straße ist seitdem wieder frei. Überall liegen schwarz-rot-goldene Fanutensilien herum. Auch hier Megaphone: Allerdings werden keine Fußballernamen rausposaunt - es gibt prenzlauerbergtypische Stilkritik: "Keine Socken in Sandalen bitte, keine Socken in Sandalen!"

Weniger stilvoll ging es in Frankfurt (Oder) zu: Aus einer Menschenmenge heraus warfen Randalierer Molotowcocktails und Feuerwerkskörper, wobei Cafés und Geschäfte beschädigt wurden. Etwa fünfzehn Krawallmacher bewarfen außerdem Polizisten mit Steinen und Flaschen, wie die Polizei mitteilte. Dabei seien vier Beamte verletzt worden. Vierzehn Verdächtige im Alter von 20 bis 42 Jahren seien vorübergehend in Gewahrsam genommen worden.

In Berlin waren bis zum Abend überall in der Stadt Hupkonzerte zu hören. Die Vuvuzela dagegen scheint aus der Mode zu kommen. Nur vereinzelt ertönte das für viele nervtötende Tuten. Stattdessen feiern klassische Fußballtröten ein Comeback, so genannte Gashupen, der Sound aus der Spraydose, der Sound der Achtzigerjahre. Nach den aktuellen Zahlen der Polizei vom Montagmorgen waren bis zu 10.000 Fans zum Ku'damm gekommen. Böller krachten, Feuerwerk rauschte in den Himmel: Kreuzberger Silvester in Charlottenburg, am helllichten Tag. So ging es bis in die Dunkelheit. Am späten Abend zog dann die Berliner Polizei eine erste erfreuliche Bilanz: „Alles blieb friedlich. Gegen 22 Uhr löste sich die Party langsam auf, der Ku’damm wurde für Autos wieder freigegeben“, sagte ein Polizeisprecher.

Die Polizei zog am Vormittag Bilanz und meldete, dass die Veranstaltungen in der Stadt mit mehreren Tausend feiernden Anhängern ohne besondere Vorkommnisse verliefen. Insgesamt nahmen Polizisten im Zusammenhang mit den Fußballveranstaltungen 75 Personen wegen verschiedener Delikte wie Körperverletzung, Sachbeschädigung, Beleidigung und Diebstahls vorläufig fest, die nach den polizeilichen Maßnahmen wieder auf freien Fuß gesetzt wurden. Darunter befanden sich auch 23 Fußballfans aus Cottbus, die gegen 12 Uhr auf dem Weg zum Fanfest zwei Rauchgasbomben gezündet hatten. Da für sie ein Stadionverbot besteht, verblieben sie während der Dauer der Spielübertragung in Gewahrsam.

Schon vor dem Schlusspfiff in Bloemfontein hatten sich die ersten Fans zum Feiern in die Stadt aufgemacht. Bei sicherer Führung schallten die ersten Hupkonzerte durch Berlin. Ruckzuck gab es dann einen Massenansturm. Autokorsos rollten Richtung Westen. Mit Fahrzeug wurde allerdings niemand auf die Feiermeile rund um die Gedächtniskirche und auf dem Ku'damm gelassen. Die Polizei hatte abgesperrt, gefeiert werden soll aus Sicherheitsgründen zu Fuß. Ein Auto hatte es trotzdem irgendwie geschafft. Die Insassen kosteten ihren kleinen Triumph feiernd aus, bis die Polizei sie herauswinkte. Zwischenfälle meldet die Polizei zunächst nicht. Allerdings werden sechs Gestalten in Rockerkluft gleich von den Beamten manngedeckt. Und ein Tagesspiegel.de-User meldet angetrunkene Korsofahrer am Adenauerplatz, die sich Rennen mit quietschenden Reifen liefern.

Auch von Westen und Süden her rollten gleich nach Spielende Fans auf den Kurfürstendamm zu. Die Polizei ließ sie gewähren, bis zur Fasanenstraße blieb der westliche Boulevard für Autokorsos offen. Auch die Kantstraße wurde inzwischen zur Jubelmeile. Die Hauptkorsowelle aus Kreuzberg brach sich bereits an der Urania und wurde über die Lietzenburger Straße umgeleitet.

Das war den Fans egal. Viele jubeln aus dem Auto heraus und fahren die Lietzenburger hinunter - unzählige andere zu Fuß rund um die Gedächtniskirche. Dort haben sich bereits seit kurz nach dem Spiel Tausende versammelt und feiern ausgelassen, bunt, kreativ. Unsere Reporter waren schon 2006 bei der WM im eigenen Land dabei - aber so viele Fans und derart gute Stimmung haben sie selbst damals nicht erlebt. Und wieder sind viele Fans türkischer Herkunft dabei und feiern die deutsche Elf - zum Teil mit Halbmond- und schwarz-rot-goldenen Flaggen.

Hintergrund der teilweisen Sperrung des Ku'damms sind allerdings nicht nur die Feierlichkeiten. Bereits während der ersten Halbzeit des Spiels hatte es einen tödlichen Motorradunfall an der Ecke Kurfürstendamm/Knesebeckstraße gegeben. Ein Taxifahrer hatte nach Polizeiangaben Fahrgäste aufgenommen und wollte anschließend nach links in die Knesebeckstraße abbiegen. Dabei habe er den 55-jährigen Kradfahrer übersehen, teilte die Polizei mit. Der Fahrer des Motorrads verstarb noch an der Unfallstelle. Der Taxifahrer erlitt einen Schock und wurde in einer Klinik ambulant behandelt.

Rund um die Gedächtniskirche feiern die Fans in schwarz, rot und gold.

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So hatte es am Nachmittag im Tiergarten ausgesehen: Kein Federball, keine Familienidyllen mit Picknickkorb – stattdessen Indianertänze schwarz-rot-gold ausstaffierter meist jugendlicher Fußballfans auf den Tiergarten-Wiesen rund um die Fanmeile. „Deutschland, Deutschland!“-Rufe hallen durch den Park, während auf den Spazierwegen Zehntausende zu den Megaleinwänden strömen. Jeder will die besten, vor allem schattigen Plätze ergattern. Schon kurz vor dem Anpfiff des WM-Achtelfinalspiels Deutschland gegen England haben sich laut Polizei und Veranstaltern bis zu 300.000 Menschen auf der Fanmeile versammelt.

Bereits ab 13 Uhr standen Fans in langen Schlangen vor den Kontrolleingängen rund um den Tiergarten, Tausende tanzten und sangen auf den Liegewiesen des Parks, auf denen zeitweise mehr Schwarz-Rot-Gold als Grün zu sehen war. Vor den Bildwänden begann unterdessen das Gedrängel um die besten Plätze – vor allem im Schatten. Kurz vor 16 Uhr war dann kein Durchkommen mehr auf der Straße des 17. Juni. Jubel brach aus, als die deutsche Elf ins Stadion kam - und dann natürlich beim 1:0 und beim 2:0 für Deutschland. Beim Wembley-Tor der Engländer, das diesmal nicht gegeben wurde, nur ganz kurz Debatten: Drin, nicht drin? Dann zeigt die Zeitlupe klar an, dass dieser Ball im Gegensatz zum englischen Lattenschuss 1966 klar drin war. Ab dem 2:1 der Engländer dann nur noch Bangen auf der Fanmeile. Die drei Löwen kommen. Dann das 3:1 und das 4:1 für Deutschland. Das muss reichen. Und es reicht! Unbeschreiblicher Jubel brandet mit dem Schlusspfiff auf.

Auch tausende junge Türken und Araber tanzen unter den Fans, fallen sich in die Arme, obwohl der Sieg noch längst nicht ausgemacht ist, schwenken vor den Kameras der internationalen Fernsehteams demonstrativ ihre Deutschlandflaggen.

Gedrängel vor allen Leinwänden, aber ohne Ellenbogen. Friedliche Stimmung, Happening-Laune. Die Bier- und Currywurstverkäufer arbeiten mit fliegenden Händen. Sie hoffen schon alleine aus kommerziellen Gründen auf weitere Siege der deutschen Elf. „Dann machen wir hier weiter supergut Kasse.“

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