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Disco-Kult: Licht aus – Retro an

„Disco“ mit Ilja Richter war eine enorm populäre Musiksendung im deutschen Fernsehen. Jetzt geht die Kultshow auf Jubiläumstour.

Mein Gott, was für ein affiger Typ. So spillerig, total albern, unheimlich geziert und gleichzeitig superschlau. Sonst sind die Erinnerungen an „Disco“ ziemlich verschwommen, aber zwei Sachen hat diese Fernsehshow den Ü-40ern ins Gehirn gebrannt: den nervigen Berliner Ilja Richter und seine Hammerphrase „Licht aus – wooom! Spot an – jaaa!“, mit der er in jeder Disco-Folge von 1971 bis 1982 den Quiz-Gewinner im Publikum begrüßte.

Ewig und drei Tage später sitzt der inzwischen 58 Jahre alte Ilja Richter in seiner Probengarderobe, schlürft Kaffee und lacht sich minutenlang kaputt, weil er mal affig gefunden wurde. Richter ist Profi, der verträgt das, und nach wie vor eine Plaudertasche. Ins Reden über das aktuelle Recycling der Show, die ihn in den Siebzigern zum Fernsehsuperstar und „Bravo“-Starschnitt machte, webt er so nebenbei sein ganzes, einst in Karlshorst als Sohn einer Jüdin und eines Kommunisten begonnenes Leben als Kinderstar, Moderator, Schauspieler, Regisseur und noch einiges mehr. Schön eitel und schön scharfzüngig. Er ist gut im Training: allein die Ankündigung der Jubiläumstour „40 Jahre Disco“ hat ihn bereits auf alle Talkshowsessel der Republik katapultiert.

Damals wie jetzt lieben alle „Disco“, die Pop- und Schlagershow, die viel frecher als die „Hitparade“, aber viel lieber als der „Beatclub“ war. Und wenn sich Ilja Richter heute Abend im Circus Krone in München ins Glitzersakko wirft und im Retrodekor seiner „Disco“-Inszenierung mit Showband, Gags und Gaststars „Hallo Freunde“ brüllt, dann vor ausverkauftem Haus. Auch die Karten für den 15. Mai im Admiralspalast sind weg.

Der „alte Glamour-Sack“, den er da als Sketchereißer und Ansager von Oldie- Nacht-Bands wie Middle of the Road, Chris Andrews oder Harpo mime, sei halt genauso Teil seines Schauspielerdaseins wie der niederländische Jude Hans, den er kürzlich im Alten Schauspielhaus Stuttgart in dem politisch brisanten Drama „Sechzehn Verletzte“ gespielt hat, sagt er. Wegen dieses Theaterengagements stand seine Wohnung in Wilmersdorf schon im April leer, jetzt staubt sie weiter ein. Da ist ja der Tourauftakt in München fast ein Affront für Berlin, wo „Disco“ doch in der Berliner Union Film produziert wurde. „Och, ich bin da glücklich drüber“, sagt Ilja Richter. Er habe gerade in München oft ganz neue Dinge gemacht. Kabarett, Theater, jetzt die erste Hallentour seines Lebens und vor allem seinen kleinen Sohn Kolja. Mit dem ist er neulich in der Carmen-Nebel-Show aufgetreten, wo auch ein Auftritt vom ergrauten Harpo als Appetithappen für „40 Jahre Disco“ zu sehen war. Harpo war so peinlich barfüßig wie früher und das Ganze komplett ironiefrei. Dabei ist Augenzwinkern Ilja Richter bei seiner Oldieshow besonders wichtig. Stimmt, gluckst Richter, aber als Gast bei der Show funktioniere keine Ironie und versichert: „Die Tour wird keine Satireshow und kein Intellektuellenfestival, aber die frechste ,Disco‘ aller Zeiten.“ Alle Sketche und Moderationen sind wieder von ihm.

Jetzt holt er als Pop-Opa zur Jubiläumstour die Glitzerjacke raus. Infos unter: www.disco-dietour.de
Jetzt holt er als Pop-Opa zur Jubiläumstour die Glitzerjacke raus. Infos unter: www.disco-dietour.de

© Promo

Mit einem Overkill an Schnulzen ist da nicht zu rechnen, obwohl das selige Erinnern an die eigene Jugend das Kartenverkaufsgeheimnis der Retroshow ist. Klar, sagt Richter, der Mensch sei nun mal ein rückwärts blickendes sentimentales Tier. „Und das kann man gut mit nostalgischem Kitsch füttern und ihm einreden, dass früher alles besser war.“ Aber nicht mit ihm, findet er doof so was. Er sei keine Kitschjule und Jahrzehnte, die besser seien als andere, gebe es ganz sicher nicht. Für ihn ist das Disco-Revival, zu dem ihn jahrzehntelang keiner überreden konnte, zwar „ein Blick zurück, aber zugleich nach vorn“.

Den traditionsreichen Konzertort Admiralspalast hat er sich gewünscht. „Da fühle ich eine so richtig berlinische Urfreude drüber“, sagt er. Die erfülle ihn sowieso immer, wenn er im Osten der Stadt unterwegs sei. Ging ja früher nicht. Und so ganz lässt ihn der „affige Typ“, der er früher mal war, aber doch nicht ruhen: „Klar war ich manieriert, aber da musste als Moderator einer Popshow mit 18 erst mal drauf kommen, dich anzuziehen und zu reden wie aus einer anderen Zeit und so zu deiner eigenen Figur zu werden.“

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