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Stadtleben: Dschingis Khan bei den Rotarmisten

Bei seinem einzigen Berlin-Besuch trat John Wayne auf wie ein Tourist. Morgen würde er 100 Jahre alt

Eine Premiere, seien wir ehrlich, ist zunächst ein großer Werberummel, bisweilen verbunden mit einem karitativen Zweck.Die Funktion als Forum für ein politisches Bekenntnis dagegen ist in den Hintergrund gerückt. Das war nicht immer so. Früher musste sogar ein Spielfilm über Dschingis Khan zur Demonstration transatlantischer Solidarität herhalten: „John Wayne wird eigens zu dieser Aufführung aus Hollywood nach Berlin kommen und damit die Verbundenheit der amerikanischen Filmkünstler mit ihren deutschen Kollegen dokumentieren“, kündigte der „RKO Kurier“, ein Werbeheft des Verleihs, an. Die Dreharbeiten zu „Der Eroberer“ lagen anderthalb Jahre zurück, mehrfach hatte Produzent Howard Hughes den Film umschneiden lassen, bis er ihn zur Weltpremiere freigab – am 28. Januar 1956 in West-Berlin.

Für John Wayne, der morgen 100. Geburtstag hätte, war es der einzige Berlin-Besuch – ein Tag mit dichter Terminfolge: abends die Premiere in der Filmbühne Wien am Kurfürstendamm, am Tage Interviews, ein Termin mit Willy Brandt, damals noch Präsident des Abgeordnetenhauses. Aber der Gast fand doch, anders als heutige PR-Reisende, Zeit zur Stadtrundfahrt, jedenfalls besitzt das Filmmuseum einen Satz mit Fotos, die den Mann aus dem Westen vor den Sehenswürdigkeiten West-Berlins zeigen: dem Reichstag, dem Luftbrücken-Denkmal, Wayne mit Hut und vor dem Bauch baumelnder Kamera wie ein x-beliebiger Tourist. Auch am Sowjetischen Ehrenmal an der Straße des 17. Juni wurde er fotografiert, im Hintergrund Rotarmisten, und natürlich – „Achtung! Sie verlassen nach 70 M West-Berlin“ – am Brandenburger Tor.

Sein Film hatte Reklame dringend nötig, denn wenngleich Waynes Biografen sich uneinig sind, ob der Film finanziell ein Fiasko oder ein Erfolg war – die fragwürdige Qualität steht für sie außer Frage. Schon die Kritiker hatten den Film verrissen. „Die bedenkenlose Verherrlichung eines Gewaltmenschen widert den Nachdenklichen an“, befand der Tagesspiegel, während „Time“ missfiel, dass Wayne den Eroberer als „eine Art Kreuzung zwischen herumballerndem Sheriff und mongolischem Idioten“ porträtiert habe.

Mit dem Sheriff wäre der Duke wohl einverstanden gewesen: „Ich sehe ihn als Gunfighter“, charakterisierte er Dschingis Khan, der Film sei „eine Art Western“. An einen wortkargen Cowboy hatte Drehbuchautor Oscar Millard aber zuletzt gedacht, als er für den ursprünglich vorgesehenen Marlon Brando Sätze in achaischem, stilisiertem Englisch schrieb. Da Brando von der 20th Century Fox nicht freigegeben wurde, kam Wayne zum Einsatz, der das Manuskript in die Finger bekommen hatte und sich eine Ausdehnung seines Rollenspektrums versprach. Aus seinem Mund hörten sich die gestelzten Sätze aber grotesk an, auch machte er als Mongolenführer keine gute Figur.

Verhängnisvoll war aber der Drehort: Escalante Desert nahe St. George in Utah, 250 Kilometer östlich des Atomwaffen-Testgeländes in Nevada, auf dem erst am 19. May 1953 eine besonders schmutzige Bombe, genannt „Dirty Harry“, gezündet worden war. Die Gegend, in der zwei Jahre später „Der Eroberer“ gedreht wurde, lag direkt in der Schneise, über der der Fallout niedergegangen war. Die strahlenden Aschepartikel vermischten sich mit dem Staub der Wüste, der bei den gefilmten Reiterkämpfen immer wieder aufgewirbelt wurde und das Filmteam überpuderte.

220 Menschen hatten in Escalante Desert gearbeitet, 91 sollten an Krebs erkranken und viele sterben, darunter Regisseur Dick Powell, Susan Hayward und auch John Wayne. Den Lungenkrebs 1964 überlebte er, der Magenkrebs brachte ihm 1979 den Tod. Zwar war er starker Raucher wie andere aus dem Filmteam auch, aber die Zahl der Erkrankungen war ungewöhnlich, so dass Robert Pendleton, Radiologe an der Universität Utah, von einer epidemischen Häufung sprach und einen Zusammenhang mit den Nevada-Tests für möglich hielt. So hat wohl „Der Eroberer“, für den Wayne sich in Berlin feiern ließ, ihm indirekt den Tod gebracht. Andreas Conrad

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