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Festivals: Starker Ersatz für die Popkomm

Statt der abgesagten Popkomm laden diese Woche gleich zwei Festivals zum Diskutieren, Zuhören und Feiern ein.

Der Schachzug war clever und naheliegend. Und er zeigt, wie selbstbewusst Berlins Clublandschaft inzwischen ist. Als vor drei Monaten die Popkomm abgesagt wurde, hatten viele Clubbesitzer ihr Begleitprogramm zur Musikmesse bereits gebucht. Was also machen? Für die Betreiber des Watergate in Kreuzberg stand die Antwort schnell fest: Weil sie in der Szene gut vernetzt sind und über viele Kontakte verfügen, riefen sie die Berlin Music Days, kurz Bermuda, ins Leben. Von Mittwoch bis Sonnabend wollen sich Berlins Clubs mit einer eigenen Musikwoche nun einfach selbst feiern.

Parallel dazu findet die Konferenz „all2gethernow“ statt, auf der Expertenrunden über Themen wie Urheberrecht, Web 2.0 und Vermarktungsstrategien der Musikbranche diskutieren. Tim Renner, Chef des Berliner Radiosenders Motor FM, hat die Konferenz mitorganisiert: „Wir wollen da nicht zum wiederholten Mal bereden, wer schuld an der Krise der Branche ist. Wir werden nach Lösungen und neuen Möglichkeiten suchen.“ Das „all2gethernow“ richtet sich nicht nur an Branchenexperten, sondern steht jedem Interessierten offen – auch wenn die Titel mancher Workshops reichlich speziell klingen: „Netlabels als wesentlicher Baustein der Independent-Musikszene“ etwa oder „Zurück in die Jugendkultur: Die Rückkehr der Musik über Computerspiele“. 700 Teilnehmer werden erwartet, am Mittwoch und Donnerstag wird in der Münze Berlin am Molkenmarkt in Mitte diskutiert, am Freitag dann im Radialsystem. Auch Profimusiker haben ihr Kommen zugesagt, Mathias Hielscher etwa ist Bassist der Band Virginia Jetzt! und will am morgigen Donnerstag darüber dozieren, wie Popgruppen das Internet nutzen können, den Kontakt zu ihren Fans zu verbessern.

Die Berlin Music Days und Renners Konferenz finden zwar zeitgleich statt, wurden aber unabhängig voneinander geplant. „Berlin ist seit Jahren die Hauptstadt der elektronischen Musikkultur“, sagt Bermuda-Initiator Ulrich Wombacher. „Es schrie förmlich danach, hier eine Musikwoche zu organisieren.“ Clubs wie Berghain, Tresor, Cookies und WMF waren von der Idee sofort begeistert, neben Techno-Größen wie Ellen Allien, Tiefschwarz und Richie Hawtin werden unter anderem die Hip-Hopper Puppetmastaz auftreten.

Wenn die Bermuda-Premiere gut läuft, soll der organisierte Partymarathon ein regelmäßiger Termin für Clubtouristen aus der ganzen Welt werden – ähnlich wie das „Sonar Festival“ in Barcelona oder die „Winter Music Conference“ in Miami. Und auch Tim Renner hat bereits durchblicken lassen, dass seine Konferenz „all2gethernow“ keine einmalige Veranstaltung bleiben soll: „Es wird weitergehen mit mehreren Berliner Events, die sich vernetzen.“ Unklar ist, inwieweit die jetzt gegründeten Festivals im nächsten Jahr in Konkurrenz zur Popkomm stehen – die Organisatoren der Messe haben sich gestern mit einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit gewandt und bekräftigt, dass die Planungen für 2010 laufen. „Wir haben keine Aversion gegen die Popkomm“, sagt Tim Renner, fügt aber hinzu: „Wir lassen uns ungern vereinnahmen, wenn wir etwas eigenständig bauen. Unser Ziel ist es, dass es für die Stadt und für die Branche funktioniert.“ Eine Möglichkeit könne eine „gemeinsame Berlin Musik Week mit unterschiedlichen Veranstaltungen“ sein.

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