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Sven Marquardt ist Türsteher im Berghain und Fotograf. Zu DDR-Zeiten hatte er Mitte-Verbot.

© picture alliance / dpa

Fotografie: Im Fokus des Türstehers Sven Marquardt

Berlins bekanntester Einlasser ist ein leidenschaftlicher Fotograf, nun veröffentlicht er seine Bilder in einem Buch. Die Fotografien entstammen einer Werbekampagne für Jeans.

Der Oberkörper ist flächendeckend tätowiert bis rauf zum Hals, wo ein Totenkopf den Adamsapfel schmückt. In den Händen hält der Mann mit dem Backenbart eine Spitzhacke. Nicht gerade vertrauenerweckend, der Herr. Aber um ihn geht es nur am Rande. Das Hauptaugenmerk bei dem Bild soll eigentlich auf der Hose liegen. Wer es nicht weiß, würde nicht unbedingt darauf kommen.

Die Aufnahme stammt von Sven Marquardt. Sie war Teil einer Ausstellung, für die der Fotograf vom Jeans-Hersteller „Levi’s“ beauftragt wurde. Die Bilder wurden zwischen 2006 und 2008 im „Icon Store Buttenheim“ am Hackeschen Markt gezeigt. Wer die Schau verpasst hat, bekommt nun die Chance, sich die Fotos in Ruhe anzusehen. Nächste Woche erscheint der dazugehörige Bildband mit dem Titel „Heiland“ (Mitteldeutscher Verlag, 104 Seite, 32 Euro).

Die Models waren Marquardts Freunde.
Die Models waren Marquardts Freunde.

© Sven Marquardt

Die Schwarz-Weiß- Aufnahmen sind auffallend düster, manchmal sogar beklemmend brutal. Auf einigen Fotos fließt Blut, man sieht Fesselszenen, Waffen und Typen, denen man nicht im Dunklen begegnen will. „Für mich waren die Jeans ein Stilmittel, mit dem ich eine Geschichte erzählt habe“, sagt Sven Marquardt. Entstanden sind die Motive in einer stillgelegten Schlachterei, einer alten Lagerhalle, am Ufer der Strandbar Kiki Blofeld. Und natürlich im Berghain. Dort arbeitet der 48-Jährige hauptberuflich. Er ist das prominente Gesicht des Technoclubs, der Gralshüter des Berliner Nachtlebens.

Dass Marquardt hinter den Mauern des Tanztempels fotografieren durfte, ist eine kleine Sensation. Kameras sind im Club streng untersagt. Doch für ihren Türsteher machten die Betreiber Norbert Thormann und Michael Teufele eine Ausnahme. „Grundsätzlich halte ich mich an das Fotoverbot“, sagt Marquardt. „Es gibt im Berghain aber ungenutzte Ecken. Dort entstanden meine Bilder.“

Ketten, Nieten, Schlagringe. Marquardt wählte seine Modelle nach "Persönlichkeit und Charakter" aus.
Ketten, Nieten, Schlagringe. Marquardt wählte seine Modelle nach "Persönlichkeit und Charakter" aus.

© Sven Marquardt

Seine Modelle hat der Fotograf nicht an der Tür des Clubs gecastet. Es handelt sich um Freunde und Bekannte. Er habe bewusst keine Profis engagiert, sondern nach „Charakteren und Persönlichkeiten“ ausgewählt, sagt Marquardt. Äußerlich unterscheidet er sich nur wenig von seinen männlichen Models. Tätowierte Dornenranken zieren seine linke Gesichtshälfte, wo sie aufhören, fängt der Bart an. Quer durch die Nase geht ein Metallpflock und in der Unterlippe stecken zwei Ringe, die andere Menschen eher am Finger tragen würden.

Dass Marquardt noch mal zur Kamera greifen würde, war nicht unbedingt absehbar. Nach der Wende hatte er die Fotografie aufgegeben, weil sich für seine Bilder niemand mehr interessierte. Dabei galt er bis zum Fall der Mauer als hoffnungsvolles Talent, war Teil der Künstler-Bohème von Prenzlauer Berg. Nach seiner Ausbildung bei der Defa Anfang der Achtziger arbeitete Marquardt für die Modezeitschrift „Sibylle“. Doch weil er mit seiner Liebe zum Punk und dem dazugehörigen Kleidungsstil nicht ins sozialistische Weltbild passte, erhielt er „Mitte-Verbot“: Im Zentrum durfte sich Marquardt nicht öffentlich blicken lassen – die Behörden befürchteten, er könne Touristen verschrecken.

Das Berghain.
Das Berghain.

© Mike Wolff

Nach der Wiedervereinigung konnten die Redakteure großer Magazine mit Marquardts spezieller Ästhetik nichts anfangen. Er sattelte um und arbeitete erst als Tätowierer, später als Einlasser im Ostgut, dem Vorgänger des Berghains. Als der Club 2003 schließen musste, um Platz für die O2-World zu schaffen, besann sich Marquardt seiner einstigen Leidenschaft. Er stellte Szenen aus Filmen von Rainer Werner Fassbinder nach. Die Arbeit mit dem Titel „13 Monde“ wurde 2007 ausgestellt. Im Berghain, wo sonst.

Die neue Ausgabe des Stadtmagazins „Zitty“ erscheint mit einem Mode-Special, inklusive Gespräch mit Sven Marquardt.

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