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© Doris Spiekermann-Klaas

Francophonic Festival: Exportschlager Frankreich

Mehr als Chanson und Akkordeon: Das Francophonic Festival präsentiert ab heute Konzerte und Poetry Slams überall in der Stadt.

Sarkozy steckt voller Nadeln. „Es ist so entspannend, sich an ihm abzureagieren, wenn man gestresst ist“, sagt Nicolas Jeanneté und grinst. Er hält die kleine Voodoopupppe mit dem Gesicht des französischen Staatspräsidenten mit beiden Händen und will unbedingt mit ihr fotografiert werden. Aber sein Bruder Bertrand hat etwas dagegen. Also legt Nicolas die Puppe beiseite.

Sarkozy hat gerade viel zu leiden, denn die beiden Brüder Jeanneté sind zurzeit ziemlich gestresst: Sie organisieren das bis zum 18. Oktober laufende Francophonic Festival und eine Europäische Poetry-Slam-Woche. Beides startet fast gleichzeitig: Sechs Konzerte mit 20 Musikern überall in Berlin am Donnerstag und mehre Poetry-Slam-Auftritte und Workshops am heutigen Mittwoch. Im Lido in Kreuzberg, im Maria am Ostbahnhof, im Admiralspalast, der Kulturbrauerei und im Saalbau Neukölln.

Es gibt viele kleine Last-Minute-Probleme: Bertrand hat eben noch mit jemandem am Telefon über die Tickets diskutiert - natürlich auf französisch. Denn das Büro der beiden ist sozusagen ein Stück Frankreich in Prenzlauer Berg – ein ziemlich chaotisches Stück, in einer ehemaligen Zahnarztpraxis in einem Hinterhof. In Paris haben sie auch noch ein kleines Büro mit einem Mitarbeiter, aber ihr Hauptsitz ist Berlin. Die beiden exportieren französische Kultur.

Angefangen hat alles Ende der Neunziger mit einem französischen Wagen für die Loveparade. Das Francophonic-Festival organisieren sie jetzt zum fünften Mal. Und auch für das alljährliche Nationalfest der französischen Botschaft auf dem Pariser Platz sind sie verantwortlich. Dort ist dann immer viel Blau-weiß-rot zu sehen – die französischen Nationalfarben. Ganz anders beim Francophonic Festival: „Da wollen wir auf keinen Fall bleu-blanc-rouge machen“, sagt Bertrand Jeanneté, „sondern den Berlinern zeigen, was in der französischen Musikszene Neues produziert wird. Made in France sozusagen.“ Bleu-blanc-rouge – das steht für ihn für Edith Piaf, Juliette Greco und Akkordeonklänge: „Solche Klischees wollen wir brechen.“ „Made in France“ dagegen bedeutet zum Beispiel: Nouvelles Chansons von Zaza Fornier, elektronische Musik von Yuksek, Independent Rock von der Band Stuck the Sound und die Mischung aus Rock und Orient von Rachid Taha, der beim Festival das Auftaktkonzert für seine Welttournee gibt. Sogar die englischsprachigen Folk-Balladen des Schweden Peter von Poehl gehören dazu. Der lebt nämlich wie alle anderen Francophonic-Teilnehmer in Frankreich. Nicolas und Bertrand Jeanneté hingegen sind meistens in Berlin. „Hier ist es weniger stressig als in Paris,“ sagt Nicolas.

Frankreich und Deutschland seien ein bisschen wie ein Ehepaar, fügt er hinzu. Zumindest politisch und wirtschaftlich – nur kulturell ließe die Beziehung noch zu wünschen übrig. Aber die Brüder Jeanneté arbeiten eifrig daran, das zu ändern. Das Festival haben sie aus Frankreich exportiert – dort gibt es eins mit ähnlichem Namen in La Rochelle. Zunächst war es das einzige französische in einem nicht frankophonen Land. Inzwischen haben sie es auch nach Polen gebracht. Mehr als 5000 Besucher kamen letztes Mal zum Berliner Festival. Und demnächst wollen sie etwas in der Art in Paris veranstalten – mit deutschen Künstlern. Welche die Franzosen kennen, haben sie bei einer kleine Umfrage herausgefunden: Nina Hagen, die Scorpions, Tokio Hotel und Ute Lemper – auch hier: Klischees. Bis sie den Franzosen auch andere vorstellen können , wird Nicolas Jeanneté wohl noch viele Nadeln in Sarkozy stecken. Oder in Ségolène Royal. Von der Sozialistin hat er auch eine Voodoopuppe.

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