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Interfilm

© promo

Großes Kino: Stasi-Spitzel und Bagger-Ballett

Beim Kurzfilmfestival „Interfilm“ werden bis Sonntag fast 500 Produktionen gezeigt. Die Veranstalter erwarten wie in den Vorjahren mehr als 15.000 Besucher – damit ist die „Interfilm“ nach der Berlinale das zweitgrößte Filmfestival der Stadt.

Dass sich Kräne virtuos im Takt drehen können, weiß man in Berlin spätestens seit 1996, als Daniel Barenboim auf der Potsdamer-Platz-Baustelle 19 Kranführer zu „Ode an die Freude“ dirigierte. Jetzt sind die Bagger dran: In „Modern Daydreams: Deere John“ tanzt ein 22-Tonner Ballett, dreht Pirouetten, ja, hebt sogar seinen menschlichen Tanzpartner zärtlich mit der Schaufel in die Höhe und lässt ihn im Kreis über den Boden schweben. Das alles geschieht ohne Animationstricks und Spezialeffekte, allein der clevere Schnitt macht die Illusion perfekt. Nicht mal vier Minuten dauert „Modern Daydreams“, trotzdem ist der kuriose, Arbeitsschutzbestimmungen strikt widersprechende Beitrag einer der Höhepunkte des diesjährigen Kurzfilmfestivals „Interfilm“. Am Dienstagabend wurde es eröffnet, bis Sonntag werden in den drei teilnehmenden Kinos insgesamt 490 Werke gezeigt.

Aus 90 Ländern kommen die Produktionen, regionale Themenabende sind Mexiko und dem spanischen Baskenland gewidmet. Bei der Veranstaltung „Before Fame and Fortune“ sieht man etwa, wo Salma Hayek einst mitspielte, bevor sie international Karriere machte (Freitag ab 20 Uhr in den Neuen Kant-Kinos).

Was den Festivalbesuch besonders lohnenswert macht: Die Veranstalter haben es erneut verstanden, aus dem Riesenangebot von diesmal 4000 Einsendungen haufenweise Beiträge mit noch nicht gesehenen Bildern, wundersamen Handlungssträngen und originellen Wendungen auszuwählen. Da ist etwa die Frau, die in der spanischen Produktion „7:35 de la Manana“ wie jeden Morgen ins Café geht – und plötzlich von lauter Fremden um sich herum mit dem Lied ihres Lebens überrascht wird (am Freitag ab 22 Uhr in den Hackeschen Höfen). Das erinnert an „Die fabelhafte Welt der Amélie“, nur viel unwirklicher – und kürzer. Das Bagger-Ballett kann man gleich mehrfach bewundern: am Freitag um 18 Uhr in den Hackeschen Höfen und am Sonnabend um 20 Uhr im Babylon. Am ungewöhnlichsten sind traditionell die Beiträge der Veranstaltung „Eject“ am Freitagabend: Bei der „langen Nacht des abwegigen Films“ lernt der Zuschauer Helden aus Fleischwurst und Parkuhren in der Wüste kennen (ab 23 Uhr in der Volksbühne).

Aber auch ernsten Themen kann man sich in 20 Minuten ergiebig nähern. In „Die Klärung eines Sachverhalts“ (Donnerstag ab 21 Uhr im Babylon) versucht ein Stasi-Mann, seinen Mitbürger zur Rücknahme seines Ausreiseantrages zu bewegen – und zum Verrat an dessen Frau. Dafür verspricht er eine Drei-Raum-Wohnung und einen Trabant. Auch hier könnte man schmunzeln. Wüsste man nicht, dass der Film auf einer wahren Begebenheit beruht.

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