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Stadtleben: Halbtod traurig

AUFTRITT DER WOCHE: Ihr Markenzeichen heißt Melancholie – Am Sonnabend spielt die New Yorker Band Interpol in der Columbiahalle

„Das Hellste an dieser Band sind meine Haare“, hat Sänger Paul Banks einmal gesagt. Und selbst die werden mit den Jahren immer dunkler. Bei der New Yorker Band Interpol dreht sich alles um Melancholie, Angst, Einsamkeit und unerfüllte Sehnsüchte. Und wenn Paul Banks doch einmal über eine neue Liebe singt, dann geht es eigentlich um die Furcht, dass die schnell zu Ende sein könnte. Bei so viel Bedrücktheit überrascht es nicht, dass Interpols Lieder oft in der US-Fernsehserie „Six feet under“ im Hintergrund laufen. Wer die nicht kennt: Es geht um Totengräber.

Am Sonnabend treten die vier Musiker in ihren Dandy-Outfits – Paul Banks trägt auf der Bühne Krawatte – in der Columbiahalle auf. Das ist keine Selbstverständlichkeit: In den letzten drei Jahren hat sich die Band vier Mal aufgelöst, heißt es – aber zum Glück immer wieder zusammengefunden. Diesen Sommer haben sie ihr drittes Album „Our love to Admire“ veröffentlicht. Paul Banks hält sich immer noch für einen „mittelmäßigen Gitarristen“, die Songs für „verbesserungsfähig“. Aber die Musik klingt so wie ihre Anzüge sitzen: Sie passt.

Musikjournalisten unterstellen der Band oft einen Hang zum Perfektionismus. Weil die vier auf der Bühne nie improvisieren, nichts ausprobieren, was schief gehen könnte. Alles klingt wie geplant. „Das stimmt zwar“, sagt Sänger Paul Banks, „hat aber nichts mit Perfektionismus zu tun“. Sondern bloß damit, dass jeder der Musiker seine eigenen, oft sehr unterschiedlichen Vorstellungen hat, wie Musik klingen muss. Im Studio bei den Aufnahmen wird da viel diskutiert, bis alle mit dem Ergebnis leben können. „Wenn ich jetzt auf der Bühne plötzlich improvisiere und es so mache, wie es mir gefällt, kann ich ziemlich sicher sein, dass die anderen dagegen sind.“ Und obwohl sich die Band mit internem Krach auskennt: Ein fünfter Split in drei Jahren muss nicht unbedingt sein.

Als Vorbild für die New Yorker wird immer wieder die britische Siebziger- Jahre-Band Joy Division genannt. Die war ähnlich düster angehaucht, Sänger Ian Curtis brachte sich nach drei erfolgreichen Bandjahren um. Interpol bestreiten hartnäckig, in die Fußstapfen von Joy Division treten zu wollen. „Die waren trauriger, böser und kranker als wir“, sagt Gitarrist Daniel Kressler. Angeblich hat keiner der vier Musiker eine Joy-Division-Platte zu Hause. Davon abgesehen dürfe man die Düsternis von Interpol nicht falsch verstehen, sagt Kressler. Das sei nichts Lebensverneinendes, eher im Gegenteil: „Melancholie hat schöne Seiten, fast romantische sogar.“ Und es sei ein Luxus, nicht ständig feiern und gut drauf sein zu müssen, sondern zwischendurch auch mal schwermütig zu werden.

Das sehen andere genauso: Brad Pitt und David Bowie sind erklärte Fans der Band, der britische Musikexpress hält Interpol für eine „sehr wahrscheinliche Supergroup dieses Jahrtausends“. Außerdem wird ihnen hoch angerechnet, dass sie sich mit ihrer dritten Platte weiterentwickelt haben. Zum ersten Mal kommen zum Beispiel Bläser zum Einsatz. Aber auch die können natürlich sehr, sehr düster klingen. Sebastian Leber

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