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Hippie im Kalten Krieg: LSD bis DDR: Ein Amerikaner und seine Jugend

Joel Agee schreibt über sein Leben in Europa während des Kalten Krieges. Der Sohn einer Amerikanerin wächst in Ost-Berlin auf bevor er mit seiner Mutter nach New York zurückkehrt. Erst mit der Flower Power Generation fühlt er sich jedoch dort jedoch wieder zu Hause.

Mitten im Kalten Krieg, im Frühjahr 1963, taucht plötzlich ein junger Mann am Checkpoint Charlie auf und begehrt Einlass in die DDR mit zwei Ausweisdokumenten: Ein Ausweis war in Potsdam ausgestellt auf den Namen Joel Uhse, der zweite in New York auf den Namen Joel Agee. Nun gilt es, den Grenzern klarzumachen, dass er rechtmäßig auf dem Weg von New York zum Filmfestival nach Leipzig ist. Natürlich glauben sie ihm kein Wort.

Joel Agee ist in diesem Semester Holtzbrinck-Fellow an der American Academy. Am Mittwochabend hatten sich dort neben den Stipendiaten viele Intellektuelle versammelt, um sich mit Joel Agees Memoiren „In the House of My Fear“ zu befassen, die an realen Orten spielen, aber gleichzeitig eine Erkundung des Geistes und der Seele sind.

Dabei ist dieses Leben schon äußerlich abenteuerlich genug. 1940 wird er in New York als Sohn des Schriftstellers James Agee und seiner jüdischen Frau Alma geboren. Als das Kind ein Jahr alt ist, nimmt die Mutter es mit nach Mexiko, wo sie den Deutschen Bodo Uhse heiratet. Nach sieben Jahren in Mexiko, wo sich Joel immer schmerzlich als Außenseiter fühlt, zieht die Familie, nun mit zwei Kindern, in die DDR, nach Ost-Berlin. Dort findet der achtjährige Joel bei der staatlichen Kinderorganisation, den Jungen Pionieren, das, was er immer gesucht hat: Heimat: Wir-Gefühl.

Hippies bezeichneten sich nicht als Hippies - "aus snobistischen Gründen"

Nach einer neuen Scheidung nimmt die Mutter beide Söhne 1960 mit nach New York. Joel Agee wird Schriftsteller und Übersetzer. Zuhause fühlt er sich erst wieder, als Ende der 60er Jahre mit der Flower-Power eine ganze Generation mit alten Konventionen bricht. Auch Experimente mit LSD gehören zur Erkundung des Geistes. Er fährt mit einem Bus durch Europa, obwohl er gar keine Fahrerlaubnis besitzt. Seine Idee: Wir bieten Mitfahrgelegenheiten, und die Mitfahrer chauffieren dann den Bus. Er hätte sich selber nie als Hippie bezeichnet, weil Hippies das damals nicht machten. „Aus snobistischen Gründen“, sagt er heute.

Alles aufzuschreiben, was sich in seinem Leben und in seinem Kopf abgespielt hat, bedeutet für ihn auch, Klarheit zu finden: „Ich habe immer versucht, mir den Sinn meines Lebens zu erschreiben.“ Damit reicht er über die individuelle Lebensgeschichte hinaus, erzielt aber auch noch einen interessanten psychologischen Nebeneffekt. Wenn er heute am Checkpoint Charlie vorbeigeht, verbindet er das nicht mehr mit Gefühlen. Die Erinnerungen sind ja in dem Buch verarbeitet. Bis Ende Dezember schreibt Joel Agee in der American Academy an einem neuen Buch über Mexiko.

Alte Freunde aus DDR-Zeiten will er auch noch besuchen. Die Zeit der wilden Experimente ist allerdings vorbei. Statt mit LSD befasst er sich heute mit Buddhismus. 

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