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Lala Süsskind

© Kai-Uwe Heinrich

Jüdische Gemeinde: Frau mit Bodenhaftung

Wechsel in der Jüdischen Gemeinde: Lala Süskinds uneitle und selbstbewusste Art könnte helfen, die zerstrittene Gemeinschaft wieder zu einen. Sie fällt auf in der Runde, die bisher von Männern dominiert wurde, die regelrechte Schlammschlachten untereinander austrugen.

Bei den Frauen in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin sind Schuhe mit hohen Absätzen beliebt. Lala Süsskind läuft grundsätzlich auf flachen Sohlen. Bodenhaftung ist ihr wichtiger als modischer Schnickschnack. Keine schlechte Voraussetzung, um die größte jüdische Gemeinde in Deutschland zu leiten. Lala Süsskind, 61 Jahre alt, 1,63 Meter groß, kommt oft in Jeans und Pullover zu den Versammlungen des Gemeindeparlaments in der Fasanenstraße. Sie fällt auf in der Runde, die bisher von Männern dominiert wurde, die bisweilen alle Hemmungen fallen ließen, um ihre Eitelkeit vor der Presse in Szene zu setzen.

Vom Gerede großer und kleiner Männer lässt sich Süsskind wenig beeindrucken, sie sagt, was zu sagen ist, Punkt. Ihre uneitle, selbstbewusste und burschikose Art könnte helfen, die zerstrittene Gemeinde wieder zu einen. Das ist ihr erklärtes Ziel. „Wir wollen wieder Vertrauen schaffen“, sagt Süsskind, die eigentlich Frida heißt, aber von allen „Lala“ gerufen wird. „Es soll wieder Spaß machen, in der Gemeinde mitzuwirken. Und zwar für jeden, egal ob er schon immer hier lebt oder neu zugewandert ist, ob er bei den Liberalen betet oder bei den Orthodoxen.“

Am Sonntag haben Süsskind und ihre Gruppe Atid („Zukunft“) den bisherigen Vorstand der Jüdischen Gemeinde vom Platz gefegt. Noch mehr Stimmen als Süsskind bekam nur noch der 77-jährige Alexander Brenner. Er vertrat die Berliner Juden von 2001 bis 2004 und gilt als letzte „Institution“ in der Gemeinde, die einst von Heinz Galinski angeführt wurde. Viel bewirkt hatte Brenner in seiner Amtszeit nicht, auch in den vergangenen Jahren war er kaum zu hören. Aber er war nie in Korruptionsskandale verwickelt, was mittlerweile schon viel zählt in der Jüdischen Gemeinde in Berlin.

Dass Brenner und einige Atid-Kandidaten ins neue Parlament kommen, hatten viele erwartet, nicht aber, dass 13 der 14 Atid-Leute in die 21-köpfige Repräsentantenversammlung einziehen. Mit ihrem haushohen Sieg hat sich noch einmal das alteingesessene West-Berliner Judentum durchgesetzt – obwohl diese Gruppe unter den rund 12 000 Gemeindemitgliedern längst in der Minderheit ist. „Atid statt Austritt“, hatte Süsskind geworben. Der Aufruf hat wohl gewirkt: Mitglieder des West-Berliner jüdischen Establishments wie der frühere Gemeindevorsitzende und Anwalt Albert Meyer scheinen alle für Atid oder Brenner gestimmt zu haben, anstatt der Gemeinde den Rücken zu kehren und sich mit der liberalen Synagogengemeinde am Hüttenweg selbstständig zu machen, wie es Meyer und Julius Schoeps, Direktor des Moses-Mendelssohn-Zentrums, noch im Sommer angedroht hatten.

Lala Süsskind und ihr Mann Artur sind wie Alexander Brenner oder der Filmproduzent Artur Brauner seit Jahrzehnten in der Gemeinde bekannt. Artur Süsskind war viele Jahre Mitglied im Gemeindeparlament. Gemeindevorsitzender wollte er nie werden, die Führung von Leder- und Bekleidungsgeschäften und der Immobilienhandel ließen keine Zeit. Lala Süsskind ist als Baby mit ihren Eltern aus Niederschlesien nach Berlin gekommen und in der Jüdischen Gemeinde groß geworden. Vielen ist sie auch vertraut, weil sie von 1985 bis 2003 die jüdische Frauenorganisation „Wizo“ (Women’s International Zionist Organisation) leitete. In West-Berlin galt der jährlich Wizo-Basar als gesellschaftliches Ereignis.

Aber kennen auch jene Gemeindemitglieder Lala Süsskind, die nach 1989 kamen, mit der großen Einwanderungswelle aus der ehemaligen Sowjetunion? Haben auch sie für Atid gestimmt – obwohl in Süsskinds Bündnis niemand von ihnen vertreten ist? „Alle haben erkannt, dass es mit der bisherigen Gemeindeführung nicht weitergehen kann“, sagt Süsskind. Die Misswirtschaft, die Intrigen waren nicht nur den Alteingesessenen ein Ärgernis. Die bisherigen Repräsentanten der nach 1989 Zugewanderten haben sich wegen Misswirtschaft und Korruptionsskandale in Verruf gebracht und kamen für viele Wähler nicht mehr in Frage. Die, die es wahrscheinlich besser könnten, traten mit dem Bündnis „Neue Namen“ an. Nur einer von ihnen wurde ins Parlament gewählt. Offenbar sind die Zugewanderten noch nicht gut vernetzt in der Gemeinde. Nur wenn Süsskind es schafft, sie trotzdem einzubinden, werde Ruhe in der Gemeinde einkehren, sagen viele.

Dass sie sich nicht scheut, auf Menschen zuzugehen, hat sie bewiesen. Über Jahre verkaufte sie von montags bis freitags in einem der Bekleidungsläden ihres Mannes in der Karl-Marx-Straße Jeans – „mittenmang in Neukölln“. Das gefiel ihr. „Jottwede“, in der Villa in Dahlem zu sitzen, das reichte ihr noch nie.

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