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"Konzertausstellung": Bachs Cello-Suiten im Dunkeln

Der Cellist Augustin Maurs spielt Bachs Cello-Suiten. Dass er Bach seinem Publikum sozusagen schenken kann, macht für Maurs auch Berlin möglich.

Hinter dem großen Vorhang haben die Augen Pause – weil alles schwarz ist. Man taumelt ein bisschen und streckt die Arme aus, bis die Hände die nächste Stuhlkante ertasten. Keine Ahnung, wer da neben einem sitzt. Sicher ist nur: Johann Sebastian Bach ist schon da, genauer gesagt seine Cello-Suiten. Die Töne breiten sich in der Dunkelheit aus.

Gespielt werden sie von dem Cellisten Augustin Maurs. Für den 35-Jährigen ist diese Aufführung, die er „Konzertausstellung“ nennt, eine „optische Fastenkur“. „Bach im Dunkeln ist auch eine Alternative zu der Art, in der klassische Musik sonst visualisiert und verkauft wird“, sagt er. Außerdem könne er so die klassische Bühnensituation aufbrechen. Um sich auf die Finsternis vorzubereiten, hat er in seiner Wohnung in Wedding mit einer Augenbinde geübt.

Bis Donnerstag nächster Woche wird Maurs, der unter anderem an der Musikhochschule Hanns Eisler studiert hat, die insgesamt sechs Suiten im Erdgeschoss der Bar HBC in Mitte spielen, bei freiem Eintritt. Dass er Bach seinem Publikum sozusagen schenken kann, macht für Maurs auch Berlin möglich: „Es hat Monate gedauert, diese Aufführung vorzubereiten“, sagt er. In London oder Paris hätte er das nicht machen können – sondern für die hohe Miete arbeiten müssen.

Für die Zuhörer bleibt im Dunkeln ein bisschen die Zeit stehen, zu hören ist neben dem Cello eigentlich nur das entschiedene Atmen von Maurs, das ihm immer wieder Kraft gibt. Wenn er in den kurzen Pausen aus der Black Box heraustritt, sieht er ziemlich müde aus.

Genau wie die Besucher, die sich erst wieder an das Tageslicht gewöhnen müssen, während sie ihre Handys einschalten. Zu den ersten Gästen, die sich bei der Premiere am Dienstag nach der klingenden Ausstellung die Augen reiben, gehört der Zehlendorfer Grafiker Kolja Gruber: „Ich würde gerne noch mal wiederkommen“, sagt der 43-Jährige. Weil das Zuhören für ihn eine intensive Erfahrung gewesen sei. Gefallen hat die dunkle Performance auch dem Schweizer Francois Spaltenstein: „In der Dunkelheit ist die Musik einfach Musik.“ Rita Nikolow

Augustin Maurs spielt bis zum 14. Oktober täglich von 17 bis 21 Uhr im HBC, Karl-Liebknecht-Straße 9 in Mitte. Der Eintritt ist frei, eine Reservierung möglich unter bachimdunkeln@gmail.com

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