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Leichtathetik-WM: Brett vorm Block - Zuschauer verärgert

500 Euro für ein WM-Ticket, beste Sicht garantiert? Denkste! Wie die Leichtathletik-Organisatoren Fans verärgern.

Die Vorfreude auf die WM begann für Matthias Lösch vor 18 Monaten. Damals hatte der selbstständige Garten-und Landschaftsbauer aus Mariendorf für sich, seine Frau und einen Mitarbeiter drei Dauerkarten für die WM à 530 Euro das Stück bestellt. „Natürlich war das eine Investition für uns“, sagt der 44-Jährige. Doch er wollte mit seiner Frau Claudia, die in der Leichtathletik-Abteilung des TSV Tempelhof-Mariendorf Schüler und Jugendliche trainiert, so gute Plätze wie möglich haben: Direkt hinter dem 100-Meter-Start, mit Blick aufs Ziel. „Auch wenn das damals hieß, auf Treu und Glauben 1600 Euro zu überweisen und erst lange Zeit später die Tickets in Händen zu halten“, so Lösch und nennt das „seinen persönlichen Beitrag zur Vorfinanzierung der WM“. Den er als Sportfan gerne getan habe.

Doch am ersten Wettkampftag folgt ein böses Erwachen: Als das Ehepaar Lösch seine Plätze aufsucht, versperrt ihnen eine große Werbetafel den Blick. Kein Ordner oder Verantwortlicher ist vor Ort, um gleichwertige Ersatzkarten zu verteilen – so wie es am Wochenende zuvor beim Fußballspiel von Hertha BSC an den Sitzplätzen, die bei der WM als Pressetribüne dienen, geschehen ist. „Ich verstehe nicht, warum das Problem nicht im Vorfeld erkannt wurde und der Veranstalter uns nicht kontaktiert hat“, sagt Lösch. Er habe zwar immer wieder zahlreiche E-Mails mit Kaufaufforderungen für weitere Karten bekommen, aber nicht eine, die über die neue Sichtbehinderung informierte. 24 Stunden und vier persönliche, stundenlange Beschwerden am sogenannten „Clearing Point“ brauchte es, bis Lösch nahezu gleichwertige Karten – gut zehn Reihen höher als die ursprünglichen – erhält. Damit ist er zufrieden. Aber grundsätzlich sehr enttäuscht von der Organisation.

Frank Hensel, Geschäftsführer des WM-Organisationskomitees und Generalsekretär des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, kurz DLV, wehrt sich gegen die Vorwürfe: „Manche Änderungen auf den Tribünen wie neue Kamerapositionen haben sich erst vor Kurzem ergeben. So schnell konnten wir nicht reagieren.“ Ob zum kurzfristigen Umbau auch die dominante – im Fernsehen beim Start der Kurzstrecken stets sichtbare – Werbetafel gehörte, entziehe sich seiner Kenntnis. „Ab Reihe drei oder vier kann man aber von überall gut sehen“, sagt Hensel. Tatsächlich nützt aber auch darüber im unteren Teil von Block F das Recken des Halses wenig: Der Blick auf den Beginn der Zielgeraden bleibt versperrt.

Auch Lutz Kramer, Leichtathletiktrainer und -abteilungsleiter beim Athletik Club Berlin in Kaulsdorf, hat seine Probleme mit der WM. Im Rahmen eines Konzepts, das Athleten aus Entwicklungsländern vor der WM drei Wochen lang in deutsche Trainingscamps einlud, waren beim AC Berlin zehn westafrikanische Athleten und Trainer zu Gast. Dort wurden sie von den Vereinsmitgliedern intensiv und natürlich ehrenamtlich betreut – auch während der Freizeit. Ein Dankeschön vom DLV gab es jedoch nicht: „Unsere Übungsleiter haben nicht eine ermäßigte WM-Karte für ihren Einsatz erhalten“, sagt Kramer. Er ist vor allem angesichts zahlreicher leerer Ränge während vieler Wettbewerbe empört, zumal viele WM-Sponsoren wie die Post oder die Bahn ihre Tickets einfach verschenken oder für fünf Euro verkaufen. Dass der Verein selbst beim DLV hätte um Tickets bitten müssen, wie Hensel auf Nachfrage des Tagesspiegels erwidert, hält Kramer angesichts des intensiven Engagements des Vereins für traurig.

Immerhin, die Tickets bekommt er jetzt, „selbstverständlich“. Eva Kalwa

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