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Leichtathletik-WM: Run auf Berlin

700 Kilometer in fünfeinhalb Tagen: Zehn Läufer aus Nordrhein-Westfalen kommen zur WM nach Berlin – zu Fuß.

Von Anna Sauerbrey

Rein sportlich gesehen sind die 700 Kilometer ein Klacks. Eine Woche bevor es losgeht, sitzen die Sportler – acht Männer und zwei Frauen, zwischen 27 und 59 Jahre alt – entspannt um einen Tisch in ihrem Vereinsheim. Der TuS Bösinghoven residiert in einem gepflegten Wohngebiet von Meerbusch. Etwa 15 Kilometer sind es von hier bis zur Düsseldorfer Innenstadt, 700 bis zum Brandenburger Tor. Die Strecke wollen sie in fünfeinhalb Tagen im Staffellauf zurücklegen und pünktlich zur Leichtathletik-WM in Berlin sein.

Die Idee zu diesem Lauf hatten sie vor zwei Jahren: Der Deutsche Leichtathletikverband wollte einen Sternlauf zur WM organisieren. Die Idee fanden die Meerbuscher so gut, dass sie dabei sein wollten. Obwohl der DLV das Projekt dann nicht umsetzte, planten sie ihren eigenen Lauf. Nicht nur aus sportlichem Ehrgeiz: Sie fanden Sponsoren, um drei soziale Einrichtungen in Meerbusch zu unterstützen. Eine Schule für Lernbehinderte erhält Geld für ein Schulhofprojekt, ein Pfarrer wird für Tagesausflüge mit Senioren und ein Behindertenverein im Alltagsgeschäft unterstützt. Wie viel Geld zusammenkommt, will Läufer Wolfgang Eirmbter noch nicht verraten. Ein „guter vierstelliger Betrag“ werde aber für jede Einrichtung drin sein. Unterkünfte und Verpflegung auf der Strecke zahlen die Läufer selbst. „Wenn das Budget knapp wird, müssen wir eben jagen“, meint Eirmbter.

Eine besondere sportliche Vorbereitung war nicht nötig – die Gruppe trainiert dreimal pro Woche, manche von ihnen auch öfter. Neun der zehn Teammitglieder haben Marathonerfahrung. Jens Willfahrt hält den Gruppenrekord: Drei Stunden und 56 Sekunden lief er vor einem Jahr beim Frankfurt-Marathon. Die eigentliche Herausforderung war eine logistische, die Staffel ist minutiös geplant: Die Meerbuscher gehen in Zweierteams an den Start, die je aus einem Läufer und einem begleitenden Radfahrer bestehen. Nach zwölf bis 13 Kilometern wechseln die sich ab. Nach rund 25 Kilometern steigt das Zweierteam in ein Auto um, und ein anderes Team übernimmt. Mit den Vorbereitungen hat die Truppe schon im Spätsommer 2007 begonnen.

Das Hirn der Operation ist Bauingenieur Leander Steiof, ein verschmitzter Daniel Düsentrieb in den Fünfzigern. Mit einer Navigationssoftware hat er die Strecke ausgearbeitet – für jeden Tag gibt es eine Tabelle, auf der genau vermerkt ist, wer wann wo zu sein hat, um vom Fahrrad auf die Straße oder von der Straße ins Auto umzusteigen. Die Wegführung war kompliziert: „Man wollte die A2 nicht für uns sperren“, schmunzelt Johannes Jansen. Ein erster Versuch, mithilfe von Routenrechnern im Internet eine möglichst wenig befahrene Strecke zu finden, scheiterte. „Ganz ohne Bundesstraßen hätten wir 1400 Kilometer laufen müssen“, sagt Eirmbter. Die Strecke, die schließlich mithilfe des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) gefunden wurde, führt zu 60 Prozent über Rad- und Waldwege. Auch Mittelgebirge ließen sich nicht ganz umgehen; insgesamt müssen die Läufer etwa 4000 Höhenmeter überwinden.

Im nächsten Planungsschritt fuhren Jens und Nadin Willfahrt, die zu den jüngeren Mitgliedern der Truppe gehören, die ganze Strecke mit dem Rad ab. Das hat sich gelohnt: „So manche verzeichnete Brücke gibt es gar nicht mehr. Da steht man plötzlich vor einem Zaun mit Sperrschild. Andere Wege enden vor Werksgeländen“, erklärt Jens Willfahrt.

Am Sonntag verabschiedete die lokale Prominenz die Läufer vor dem Meerbuscher Rathaus. Jetzt laufen sie – 700 Kilometer von Meerbusch nach Berlin. „Endlich mal Zeit zum Quatschen“, freuen sich Monika Kelka und Nadin Willfahrt, die beim Joggen ununterbrochen reden. Anna Sauerbrey

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