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Kultur für Kinder. Waltraut Braun gibt Bücher heraus, die jungen Menschen Kunst und Literatur nahebringen.

© Thilo Rückeis

Museumsführer für Kinder: Kinder an die Kunst

Vor Jahren fiel Waltraut Braun auf, dass es kaum Bücher für junge Museumsfreunde gibt. Mittlerweile hat sie eine ganze Reihe von Bänden herausgebracht.

Wenn man eine Weile mit Waltraut Braun gesprochen hat, kann man sich gut vorstellen, wie sie als junges Mädchen gewesen sein muss. Damals, als sie beim Picknick in Babylon den Lapislazuli fand, der ihr Leben prägen sollte. Auch mit 70 hat sie noch die Begeisterungsfähigkeit, die sich mischt mit einer Scheu, zu sehr in den Vordergrund zu treten. Dabei ist sie durch ihre selbst gewählte Lebensaufgabe zu einem echten Vorbild geworden.

Kunstbücher und Museumsführer für Kinder wollte sie machen, und es liegt ihr viel daran, dass die Bücher in dieser Geschichte im Vordergrund stehen und nicht sie selber. Fangen wir also mit den Büchern an: Mit dem Wechselbuch über die Alte und die Neue Nationalgalerie, das man in der Mitte umdrehen muss. Oder mit dem Buch über Keilschriften und Drachen und einer babylonischen Stadt voller Weltwunder. Oder mit dem Kinderführer durch die Sammlung Berggruen. Oder vielleicht doch mit „Iwar steigt aus“, in dem ein Junge namens Richard den von Otto Dix gemalten Dichter Ingwar von Lücken kennenlernt, der aus seinem Bild heraussteigt und sich im Museum neben Richard auf die Bank setzt, um seine Geschichte zu erzählen. Über das Buch schrieb Kunstanwalt Peter Raue: „Leichter, heiterer und klüger kann ein erster Zugang zur bildenden Kunst nicht gezaubert werden. Die Lektüre könnte Folgen haben: lebenslange Neugierde an Museumsbesuchen.“

Sammler Berggruen konnte sie von ihrer Idee überzeugen

Der Lapslazuli von Babylon war auch so ein Auslöser für die Liebe zur Kunst und ihrer Geschichte. Waltraut Braun kam, als sie 14 war, nach Bagdad, wo ihr Vater dabei half, die Botschaft aufzubauen. Paradiesisch hat sie das Land in Erinnerung, und tatsächlich soll ja zwischen Euphrat und Tigris das Paradies gelegen haben. Sie blieb, bis sie 19 wurde, und es gab immer etwas Interessantes an Kunstschätzen zu entdecken. Die Leidenschaft war da. Und diese Leidenschaft teilte auch ihr inzwischen verstorbener Mann Günter Braun, den sie nach der Rückkehr in Hamburg kennenlernte und als 21-Jährige heiratete. Er war von 1969 bis 1990 Hauptgeschäftsführer der Berliner Industrie- und Handelskammer.

Von Auslandsreisen, besonders aus Amerika, brachte sie ihren drei Kindern immer wieder Kunst und Museumsbücher mit. Hier gab es Vergleichbares lange nicht. Irgendwann stand für sie fest: „Dann muss ich es eben selber machen.“ Ihre heute erwachsenen Kinder, sagt sie, haben sich gar nicht so mitreißen lassen von ihrer Leidenschaft. Anders sieht das bei den sieben Enkeln aus. Die lieben die Bücher, die sie herausgibt, und stellen Fragen. Die Verlage waren anfangs zurückhaltend, verloren die Skepsis aber, weil Waltraut Braun und ihr Mann, die Bücher von Anfang an auch finanziell gefördert haben. Auch wenn ihr viele Leute das nicht glaubten: „Geld bringen diese Führer nicht.“ Sie selbst verschenkt sie gern, bis jetzt schon über 8000 an Schulen oder den Museumspädagogischen Dienst, an Menschen, denen sie zutraut, die richtigen Kinder als Empfänger für diese Bücher zu finden. Sie hat viel Lebensenergie in diese Projekte gesteckt. Die Autoren mussten gefunden werden und natürlich die Illustratoren, Verlage überzeugt und Neuauflagen organisiert werden.

Offene Häuser. Berlins Museen bieten zahlreiche kindgerechte Veranstaltungen an. Auch die Auswahl an Kunstführern in den Museumsläden ist mittlerweile recht groß.
Offene Häuser. Berlins Museen bieten zahlreiche kindgerechte Veranstaltungen an. Auch die Auswahl an Kunstführern in den Museumsläden ist mittlerweile recht groß.

© David Heerde

Vor zwölf Jahren hat sie ihr Projekt in der Akademie der Künste vorgestellt, da war ganz Berlin dabei, jedenfalls der Kunst liebende und fördernde Teil der Berliner Gesellschaft. Sie hat Heinz Berggruen überzeugt, den Stülerbau auch für Schulklassen zu öffnen und jede Menge Anekdoten gesammelt. Zum Beispiel die von dem Sechsjährigen, der Berggruen persönlich zu einem Bild befragte und zu Hause erzählte: „Du, Mama, Picasso war echt nett.“ Sie erzählt von der Schülerin, die unbedingt mal einen echten Picasso anfassen wollte und das auch getan hat, eine Schrecksekunde für die Museumshüter. „Kinder können mit Picasso mehr anfangen als Erwachsene“, sagt Braun. Zugunsten der Bürgerstiftung hat sie vor neun Jahren eine Postkartensammlung herausgegeben, Kinderzeichnungen über „Begegnungen mit der Sammlung Berggruen“. Die Zeichnungen waren dort ausgestellt, und als ein Amerikaner das Bild „Dora Maar und ich“ der damals 13-jährigen Pinar Sönmez entdeckte, fragte er spontan, ob das zu verkaufen sei.

In den Büchern stecken Spuren aus Waltraut Brauns Biografie

Waltraut Braun hat, als ihre eigenen Kinder groß genug waren, angefangen als Gasthörerin Kunstgeschichte zu studieren. Ganz en passant erzählt sie von ihren „Ticks“, der Leidenschaft für schöne Kaleidoskope zum Beispiel. Die sammelt sie in aller Welt und führt sie auch gerne vor. Besondere Ausgaben von „Alice in Wonderland“ sammelt sie auch und ist stolz darauf. Und ganz so vergeblich, wie sie meint, waren ihre Versuche die eigenen Kinder für Kunst und Literatur zu begeistern, wohl doch nicht. Tochter Ulrike ist Buchhändlerin geworden und betreibt mit ihrem Mann die Buchhandlung Braun & Hassenpflug in Zehlendorf, wo es all die Führer auch zu kaufen gibt. „Bestellen“, fügt Waltraut Braun hinzu, „kann man sie aber in jeder Buchhandlung“. Das gilt auch für „Ich zeig’s Euch“, das jüngste Werk, das sie herausgegeben und gefördert hat. Das Buch stellt sieben Arbeiten verschiedener Künstler vor, die Kinder zu ihrem Leben und ihrer Arbeitsweise befragt haben. Eine der Fragen lautet: „Wie entscheidet man sich dafür, Künstler zu sein?“

Wer Waltraut Braun kennt, wird Spuren ihrer eigenen Biografie in den Büchern entdecken. In dem Band „Von Keilschriften, Drachen und einer babylonischen Stadt voller Weltwunder“ kommt ein Mädchen namens Susanne vor, dem der Drache Muschchuschu von der Götterprozession beim Neujahrsfest in Babylon erzählt. Am Ende weint der Drache eine Lapislazuli-Träne, den Stein der Götter. Das Mädchen hebt ihn auf und geht wieder zurück zum Familienpicknick in die Nähe des Ortes, wo der biblische Turmbau zu Babel gestanden haben soll. Waltraut Braun hat diese Träne bis heute aufgehoben. Sie steckt in einem kleinen Schubladenkasten im Gästezimmer, ungeschliffen, aber mit einer Aura, aus der eine Lebensaufgabe wachsen kann.

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