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Natur: Forstverwaltung: Blumenmeer statt Rieselfeld

Die Berliner Forstverwaltung feiert ihr 100-jähriges Bestehen. Das Revier von Olaf Zeuschner hat harte Zeiten hinter sich.

Ein Elektrozaun zieht sich durch den lichten Wald. Dahinter müssten eigentlich die neuesten Mitarbeiter der Berliner Forsten zu sehen sein. Aber sie haben sich im Dickicht aus mannshohen Gräsern und Brennnesseln versteckt. Wahrscheinlich sind sie noch eingeschüchtert, weil gestern der Tierarzt da war, sagt Revierförster Olaf Zeuschner. Auch er späht vergeblich nach seinen Kollegen, die seit Ende 2007 bei der Waldpflege am nördlichen Stadtrand helfen, auf den ehemaligen Rieselfeldern zwischen Karow, Buch und Hobrechtsfelde. Drei Konik-Ponys und zwölf Hochlandrinder müssten es sein. Irgendwo hier auf diesen 50 Hektar, die erst der Anfang einer großflächigen Waldbeweidung sein sollen. Die Zukunft hier sieht ein bisschen nach Vergangenheit aus. Insofern ist Zeuschners Revier vielleicht der beste Ort, um das 100-jährige Bestehen der Berliner Forsten zu feiern.

Die offizielle Festveranstaltung an diesem Freitag findet allerdings nicht hier statt, sondern im Roten Rathaus – mit Grußworten des Regierenden Bürgermeisters und der Stadtentwicklungssenatorin sowie mehr als 200 geladenen Gästen und Häppchen vom Buffet. Es wird einen Rückblick auf die Geschichte der Forstverwaltung geben, die im Jahr 1909 mit folgender Meldung des Magistrats begann: „Da der der Kanalisationsverwaltung unterstehende Forstbesitz im Laufe der Zeit auf mehr als 3000 Hektar Flächengröße angewachsen war, ist durch Beschluss der städtischen Behörden eine städtische Oberförsterstelle geschaffen worden.“ Was unter Regie des Königlichen Oberförsters Grasso anfing, ist heute eine Behörde mit 300 Beschäftigten (zuzüglich Tiere), die sich um 28 500 Hektar Fläche samt 1800 Kilometer Waldwege – 250 davon für Reiter – sowie 13 Hundeauslaufgebiete, drei Wildschaugehege und sechs Waldschulen kümmern. Fast ein Fünftel der Stadt ist bewaldet, und knapp die Hälfte der von Berlin einst zusammengekauften Forstflächen liegt im Umland.

Auch Zeuschner hat mit seinem schilfgrünen Bully gerade die Grenze zum Landkreis Barnim passiert. Sein Revier besteht zwar nur zum kleineren Teil aus Hochwald, aber ist doch typisch für die Ausgangslage: Fast 100 Jahre lang wurden die Abwässer der Stadt hierher geleitet. Erst nur Fäkalien, dann auch Industrieabwässer. Und als vor der 750-Jahrfeier Berlins 1987 ein Klärwerk gebaut und die nun trocken gefallenen Rieselfelder aufgeforstet wurden, war der Erfolg gering. Nur der als „Waldunkraut“ verrufene Eschenahorn sowie Pappeln und Kiefern kamen mit dem Gemisch aus zu viel Gift und zu wenig Wasser zurecht. So wurde nach der Wende die Priorität geändert: Statt klassischem Erholungswald sollten die Flächen teilweise als Busch- und Heideland offen gehalten werden. Tausende Tonnen Lehm wurden herangekarrt und die Fahrspuren der Lastwagen als Wege hergerichtet. Der Stadtwald, auch dieser schwergängige hier, soll ja für die Menschen da sein. Skulpturenprojekte wie „Steine ohne Grenzen“ halfen dem Image des Gebietes auf die Beine, Stau- und Bewässerungsprojekte den dürstenden Pflanzen.

Für die Tiere gibt es jetzt reichlich Futter. Zeuschner stoppt an einer Weide, auf der die nächsten Wildpferde auf ihren Einsatz vorbereitet werden. Mittelgroße Tiere, die von der Betreiberfirma als „extrem langlebig, fruchtbar und widerstandsfähig“ beschrieben werden. Ob das Thüringer Unternehmen mit den Tieren genug Geld verdienen kann, soll sich in den nächsten Jahren erweisen. Zeuschner hofft, dass das Modellprojekt ausgeweitet wird. Angesichts der Kassenlage sieht er ein, dass auch die Forstverwaltung sparen muss und er statt zehn nur noch acht Leute zur Verfügung hat. Aber wenn Tiere einen Teil des Jobs erledigen, soll es ihm recht sein. Demnächst werden ihm wohl weitere neue Kollegen zur Seite gestellt: ein Rudel Rothirsche.

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