zum Hauptinhalt

Partygänger: Das Naturschutzgebiet am Hackeschen Markt

Auch wenn es noch so sehr glitzert am Hackeschen Markt und so viele Touristen für die schöne neue Metropole schwärmen. Manche können es einfach nicht vergessen, das schöne alte Berlin. Die biegen hinter dem Café Central in den Hinterhof ab. Und verschwinden im Eschloraque.

Der Club ist Teil des Hauses Schwarzenberg, einem gemeinnützigen Verein, den es seit 13 Jahren gibt und zu dem auch das Kino Central, der Comicladen „Neurotitan“, das Videoatelier „Sniper“, die Museumsblindenwerkstatt „Otto Weidt“ und das „Anne Frank Zentrum“ gehören. Vor gut fünf Jahren sollte das Gebäude zwangsversteigert werden, daraufhin sammelte der Verein Unterschriften, und nun gehört es teils dem Bund, teils der Stadt Berlin. Haus Schwarzenberg kann bleiben, jedenfalls für die nächsten fünf Jahre.

„Ich weiß noch, wie wir in einen dunklen Hinterhof gegangen sind und da an so eine Eisentür klopfen mussten, und ich dachte nur, cool, das ist Berlin,“ erzählt eine Freundin aus Mitte, und sie ist nicht die Einzige. Für viele Zugezogene gehört das Eschloraque zum 90er-Jahre-Berlin – als man in jeder Baulücke eine Party feierte und es keine Garage ohne Club dahinter gab. Montagsbar, Dienstagsbar, Mittwochsbar – jeden Tag eine andere Bar. Man musste sich einen Stundenplan zum Ausgehen zeichnen, um alles mitzunehmen. So erzählt man es sich zumindest.

Heute ist der Eingang offen. Dahinter sitzen Türsteher. Davor schneit es auf Sonnenschirme. Drinnen sieht es aus wie in einer schön gemachten Grotte. Ein alternativer Laden mit Stil. Kunstfratzen schauen von den Wänden . Auf dem Tresen stehen Blumensträuße und daneben Cocktailgläser. Die Gäste sitzen auf den Ledersofas, an der Bar oder auf hohen Hockern an Stehtischen, aber sitzen tun eigentlich alle. Jedenfalls am Anfang des Abends und nachdem alle einmal den Raum durchquert und „Dinner for one“-mäßig über eine kleine Stufe gestolpert sind (wirklich alle!). Gleich dahinter steht der schmale DJ und merkt nichts von alledem, so konzentriert guckt er auf seinen Laptop.

„Nein, eigentlich haben wir hier nichts verändert“, sagt einer der beiden Inhaber. Obwohl, doch, letztes Jahr hätten sie eine Diskokugel aufgehängt. Das ging ganz ohne Diskussion. „Wir genehmigen uns das dann gegenseitig.“ Die zwei waren immer allein mit ihrem Verein, ohne Subventionen. Das allerdings nicht aus übertriebenem Unabhängigkeitsdrang, sondern weil sie die Förderanträge nie rechtzeitig gestellt und immer nur für ein Jahr geplant hatten. Hat auch so geklappt. „Ich glaube, wir sind so eine Art Naturschutzgebiet.“

Und darin mischen sich die letzten Berliner ganz gut mit den Amerikanern, Spaniern und Italienern, die extra angereist kommen. Eine hennarote Frau kritzelt, immer mal wieder aufschauend, in ihr Heft und scheint über das Treiben eine ganze Kurzgeschichte schreiben zu wollen. Ein Mann mit schmal rasiertem Oberlippenbart und im Anzug sieht aus wie aus dem „Paten“ und behält sowohl die Frau hinter der Bar als auch die Gäste im Blick. Einer von ihnen ist heute David Bennent, der Schauspieler, der mit der Rolle des Oskar Mazerath in der „Blechtrommel“ seinen ersten großen Auftritt hatte. So viel Ruhm gab es für ihn danach nie wieder. Jetzt nur nicht nostalgisch werden.

Eschloraque Rümschrümp, Rosenthaler Straße 39, täglich ab 22 Uhr. 27.11. Musikvideos mit DJ I.M.K.; 28.11., DJ Andre Herzig Elektro & Booty Breaks.

Johanna Lühr

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false