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Partygänger: Weltempfänger

Der „Weltempfänger“ ist einer dieser Läden, deren Fenster fast bis auf den Boden gehen und die nachts in ein schummriges, dem Teint der Gäste schmeichelndes Licht getaucht sind. Drinnen sitzen schöne Menschen, denen es nichts ausmacht, von den Vorbeilaufenden angestarrt zu werden, ganz im Gegenteil.

Bereitwillig setzen sie sich auf den kniehohen Sitzbänken und Sofas in Szene wie Schmuck in der Auslage eines Juweliers. Wer in die Eckbar am Arkonaplatz in Mitte kommt, der tut das nicht nur, um mit Freunden Cocktails zu trinken – der will auch gesehen werden.

Vor noch nicht allzu langer Zeit beherbergten die Räume einen Schlüsseldienst. Dann kam Betreiber Stephan Rothfuß, ließ frischen Estrich auf den Boden kippen und graphische Retrotapete an die Wände kleben, von der Decke baumeln orangefarbene Lampenschirme – et voilà: Das Ausgehvolk hatte eine nette Alternative, wenn es im nahe gelegenen „103“ am Zionskirchplatz mal wieder zu voll war. Zusätzlichen Platz im Sommer schaffen die Betreiber dadurch, dass sie Tische und Stühle auf den Gehsteig stellen. Tagsüber kann man von hier aus gut den nahe gelegenen Spielplatz beobachten, auf dem Eltern mit ihren Kindern Sandburgen bauen. Die Musik im „Weltempfänger“ ist mitunter ebenso retro wie das Interieur: Dann tanzen im ausgebauten Keller Menschen zu The Cure und Michael Jackson, die zu deren großen Zeiten noch gar nicht geboren waren.

Die Hauptaufgabe des Personals besteht vor allem darin, Zugezogene und Touristen in Sachen Berliner Freundlichkeit und Service zu unterrichten, darin unterscheidet es sich nicht von den Bediensteten anderer Läden dieser Gegend. So kann es mitunter vorkommen, dass eine bereits aufgegebene Getränkebestellung wieder storniert werden muss, weil plötzlich und ganz unvorhersehbar der Mandelsirup ausgegangen ist oder die letzte Minze im Glas des Tischnachbarn schwimmt. Doch weil die Bedienung die Entschuldigung mit einem charmant verhuschten „Huch, ich kann doch nichts dafür“-Gesichtsausdruck vorträgt, kann man es ihr nicht verübeln.

Einen entscheidenden Vorteil hat der „Weltempfänger“ gegenüber den vielen anderen Läden dieser Art: Wer hier länger bleibt, vielleicht doch einen Drink zu viel hatte und den Heimweg nicht mehr auf die Reihe bekommt, der kann sich in einem der netten, hauseigenen Pensionszimmer im ersten Stock des Hauses einmieten. Das Frühstück am nächsten Morgen ist inklusive.

„Weltempfänger“, Anklamer Straße 27, Mitte. Geöffnet täglich ab 9 Uhr

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