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''Pro Reli''-Vorsitzender: Für den Glauben auf die Straße gehen

Christoph Lehmann ist Vorsitzender der Initiative „Pro Reli“, die bei Regen und Schnee Unterschriften für das Volksbegehren Religion als Wahlpflichtfach sammelt. Kritik ficht ihn nicht an - auch nicht aus den eigenen Reihen.

Eigentlich wollte Christoph Lehmann Diplomat werden und auf leisen Sohlen die Interessen der Regierung vertreten. Nun wettert er ganz undiplomatisch gegen den Berliner Senat. Er fühlt sich wohl dabei – obwohl der Kampf, den er kämpft, härter ist, als er gedacht hätte. Christoph Lehmann, 47 Jahre alt, ist der Vorsitzende der Bürgerinitiative „Pro Reli“. Er sammelt bei Wind und Regen und bei Schnee Unterschriften für das Volksbegehren für ein Wahlpflichtfach Ethik/Religion an Berlins Schulen. Denn bis 21. Januar müssen 170 000 Unterschriften beisammen sein. Nur dann kann es im Sommer einen Volksentscheid geben. Lehmann ist nicht allein, geschätzte 200 Kirchenmitglieder, Freunde und Bekannte bitten Wochenende für Wochenende Berliner um ihre Unterstützung, auch Kioskbetreiber, Bäcker und Sparkassen haben Unterschriftenliste ausliegen, sagt Lehmann stolz. 70 000 Unterschriften habe man zusammen, vermeldete er jetzt – und musste einen Tag später erleben, dass der Landeswahlleiter mitteilte, es seien erst 30 000. „Dass uns der Landeswahlleiter derart in den Rücken fällt, hat mich schon sehr geärgert“, sagt Lehmann. Man habe 70 000 Stimmen zusammen, nur nicht alle abgeliefert. Man wolle erst schauen, in welchen Kirchenkreisen viel zusammenkommt und wo weniger, wo man vielleicht nachhelfen müsse. Die Einmischung des Landeswahlleiters deutet Lehmann als Indiz, dass das Land seiner Initiative, wo es nur geht, Brocken in den Weg werfe.

Aber Lehmann, gläubiger Optimist, lässt sich nicht dauerhaft die gute Laune verderben. Außerdem haben schon Generationen von Lehmanns für ein Schulfach Religion gekämpft. Auch das härtet ab. Sein Großvater hat im Abgeordnetenhaus dafür gestritten, sein Vater hat sich als Direktor eines Charlottenburger Gymnasiums dafür eingesetzt.

An diesem Donnerstagmittag sitzt Christoph Lehmann in schwarzem Anzug, weißem Hemd und mit Manschettenknöpfen in seinem geräumigen Büro in einer weitläufigen Kanzlei am Kurfürstendamm. Lehmann ist Anwalt für Immobilienrecht. Die hohen Räume mit der Stuckkante, das Parkett und die dezente moderne Kunst verströmen den heimeligen Charme von Kultiviertheit und großbürgerlicher Ordnung. Auf Lehmanns Schreibtisch und auf dem Boden türmen sich allerdings Akten und Sammlungen von Gesetzestexten. Das Büro ist zum Arbeiten da, nicht zum Repräsentieren.

Auch mit der Religion verbindet Lehmann so eine Art Arbeitsverhältnis. Er ist gläubiger Katholik, nicht weil das in bestimmten Kreisen schick ist, sondern weil er überzeugt ist, dass es einen Gott gibt. Seine Überzeugung hat er in vielen Diskussionen immer wieder neu geschärft, in Gesprächen mit seinem Vater und der Schwester, die beide studierte Naturwissenschaftler sind, mit Theologen und Atheisten, mit Christen und Muslimen. Diese Möglichkeit möchte er auch Berliner Jugendlichen geben. Religionsunterricht soll vor allem Wissen vermitteln, sagt Lehmann, theologisches und kulturelles Wissen über Religionen. Und das Fach soll Antworten auf erste und letzte Fragen geben: Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Dies könne der Ethikunterricht nicht leisten, für Religionen sei kein Platz im Lehrplan und die Ethiklehrer nicht gut genug ausgebildet.

Kritiker der Pro-Reli-Initiative fürchten, es solle im Religionsunterricht um die Einübung in die Glaubenspraxis gehen. Lehmann schüttelt den Kopf. Beten und fromme Lieder singen, das müssten die Familien den Kindern schon selbst beibringen, wenn es ihnen wichtig ist, sagt Lehmann und macht es mit seiner Frau und seinen vier Kindern im Alter von 10, 13, 15 und 17 Jahren vor. Wer nicht will, müsse nicht, sagt der Vater. „Auch wenn ich natürlich versuchen würde, die Kinder zu überreden.“

So wie er auch versucht, Pfarrer und Gemeindemitglieder zu überreden, bei „Pro Reli“ mitzumachen und auch sonntags nach der Kirche Stimmen zu sammeln. Nicht alle Gemeinden finden es eine gute Idee, dass sie, nur weil sie Christen sind, für ein Religionsfach an den Schulen stimmen sollen. Eine Gruppe hat sich darüber so geärgert, dass sie eine eigene Initiative „Christen pro Ethik“ gegründet haben. Sie finden, dass das Schulfach Ethik gut für das multikulturelle Berlin ist. Sie fürchten, wenn die Kinder zwischen Ethik und Religion wählen können, werden sie an der gemeinsamen Diskussion gehindert. Christoph Lehmann versteht den Einwand nicht. „Wir wollen auch gemeinsame Unterrichtseinheiten. Aber zuerst muss jeder über die eigene Tradition Bescheid wissen, erst dann kann man mit den anderen diskutieren.“

Für jeden Stand in jedem Bezirk müsse er eine extra Genehmigung einholen, schimpft Lehmann. „Sehr ärgerlich“ findet er das und hat seit Monaten das Gefühl, dass es die Verwaltung der Initiative unnötig schwer mache. Dennoch: Lehmann ist überzeugt, dass das mit den 170 000 Stimmen klappen kann. Und wenn nicht – Lehmann ist geübt, mit Niederlagen umzugehen. Als Gymnasiast engagierte er sich in der Schüler-Union der CDU, später in der Jungen Union. Vor acht Jahren war er Kreisvorsitzender von Charlottenburg-Wilmersdorf, vor drei Jahren sollte er als Bundestagskandidat nominiert werden. Dann kam Ingo Schmitt und sägte ihn ab. Danach hat er alle Ämter abgegeben. „Da hab ich Demut gelernt, hat mir auch mal ganz gut getan.“ Als Ingo Schmitt auf der Landesdelegiertenversammlung der CDU vergangenes Wochenende nicht für den Bundestag nominiert wurde, da habe er dann aber doch „ganz unchristliche Gefühle“ gehabt, sagt Lehmann. Er lächelt.

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