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Straßenkunst: Die Kork-Yogis sind über uns

Josef Foos dekoriert Straßenschilder mit selbst gebastelten Figuren. 350 der sportlichen Männlein turnen mittlerweile in der Stadt.

Die Street-Yogis sind unter uns. Aber wer mit hängendem Kopf durchs Leben geht, wird sie nicht sehen – obwohl vielleicht gerade ihm ihre Gesellschaft guttäte. Denn genau genommen sind die Street- Yogis über uns: Sie turnen auf Berliner Straßenschildern herum, sofern die Launen der Natur oder eines Mitmenschen sie nicht herunterholen. Rund 350 der Figuren hat ihr Schöpfer, der Yoga-Lehrer Josef Foos, gebastelt, seit ihn 2009 eine Geschichte im Tagesspiegel über den Londoner Künstler Slinkachu auf die Idee brachte. Die ältesten hätten schon zwei Winter überlebt, berichtet er. Und das in den Straßen von Neukölln.

Zum Erfolgsrezept der kleinen Kerlchen gehört, dass sie genauso nett gemeint sind, wie sie aussehen: „Wenn sich Ihnen ein Street-Yogi zeigt, möchte er Ihnen Freude und Glück bringen“, schreibt Foos auf seiner Homepage www.street- yoga.de. Die Yogis sind „Street Art“ – und dabei in ihrer charmanten Bescheidenheit quasi das Gegenteil von Graffiti.

Nicht ganz so einfach wie die Philosophie ist die Herstellung. Denn aus zwei Korken und einem Schaschlikspieß allein lässt sich zwar ein hüftsteifes Männlein basteln, aber kein sportliches. Für die Yoga-Übungen muss Foos seinen Schützlingen Knie- und Ellbogengelenke basteln, die sorgsame Verleimung und Stabilisierung mit Tape erfordern. An solchen Figuren sitzt Foos länger als die sonst übliche Stunde. Aber „man muss ja mit irgendwas seine Zeit totschlagen“, sagt der 55-Jährige, der nach eigenem Bekunden ohne Fernseher und gänzlich alkoholfrei lebt. Die Korken bekomme er aus dem Bioladen. Vor den abendlichen Yoga-Kursen und Akupressur-Behandlungen habe er Muße zum Basteln und Auswildern seiner Yogis im Großstadtdschungel. Tagsüber in der Masse sei man unauffälliger als nachts allein, sagt er. Vor allem während der Autobrandserie „hatte ich gar keine Lust, nachts loszugehen“. Vielleicht hätte ihn schon der Montagekleber in der Tasche verdächtig gemacht, wer weiß. Früher habe er Uhu-Sekundenkleber verwendet, aber damit der wirklich hielt, musste Foos immer zwei Mal hochsteigen. Jetzt reicht eine Klettertour, damit die Figur perfekt sitzt. Um die Lebenserwartung der Yogis zu erhöhen, klebt er sie auf möglichst hohe Straßenschilder. Als Basisstation dient ihm sein Fahrrad; seine weitere Klettertechnik verrät er nicht. Sie scheint kraftraubend zu sein, denn Foos sagt, dass er früher acht Yogis pro Tag kleben konnte und jetzt nur noch vier schaffe. Für den Spezialfall „Gaia in Action“ – Korkgott trifft Korkphönix, beide gefiedert – musste er sogar sechs Mal hoch. Umso schmerzlicher, dass der Wind erst Phönix auf den harten Boden der Karl-Liebknecht-Straße geholt und nach nur drei Tagen auch Gaia in die ewigen Jagdgründe getragen hat. Durch das Gefieder hatten die Böen wohl zu viel Angriffsfläche, vermutet Foos.

Die haltbareren, weil windschlüpfrigeren Street-Yogis heißen gemäß ihrer Pose beispielsweise Vrksasana oder Hastasana. „Asana“ bedeute „Übung“ auf Sanskrit, erklärt Foos. Am Anfang habe er die Figuren vor allem in seinem Neuköllner Richard-Kiez und in der Nähe anderer Yogastudios platziert, außerdem in Schöneberg, wo er oft unterwegs sei. Allmählich erobern die Korkmännchen weitere Stadtteile. Und erfreuen all jene, die erhobenen Hauptes durchs Leben gehen.

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