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Das Tempelhofer Feld.

© Kai-Uwe Heinrich

Tempelhofer Feld: Kräutergarten Tempelhof

Elektrobikes und Pizzabackofen: Das Flugfeld wird um 19 Attraktionen reicher. Und vielleicht steuern bald auch noch die Shaolin-Mönche eine Idee bei.

Die Tore von Hangar 1 sind geöffnet und so kann der Blick frei über das Tempelhofer Feld schweifen. Wie ein grauer Teppich hängen die regenschweren Wolken über dem früheren Flugfeld. Aber am Horizont ist der Himmel schon klar und blau. Das macht Hoffnung – und das ist die richtige Kulisse für die Senatorin für Stadtentwicklung, Ingeborg Junge-Reyer, bei der Vorstellung der neuesten Pläne für den stillgelegten Airport.

Wer das Faible der Sozialdemokratin für den Verwaltungsjargon kennt, zuckt unwillkürlich zusammen, als sie überschwänglich von diesem „wunderbaren Ort“ schwärmt. Der soll durch 19 neue Projekte von Zwischennutzern noch enger mit der Stadt zusammenwachsen.

Hunderte Bürger, Vereine, Firmen, Initiativen und Religionsgemeinschaften hatten sich beworben und allein schon diese Beteiligung zeigt, dass sich das Quartier zu einem städtebaulichen Selbstläufer entwickelt hat, dessen Eigendynamik der Senat geschickt zu fördern versteht. Geld soll nicht fließen, man zapft die Kreativität des bunten Berlins an: Die Bewerber müssen Rechenschaft darüber ablegen, wie sie ihre Projekte selbst finanzieren. Die am Donnerstag vorgestellte Auswahl trifft die für die „Tempelhofer Freiheit“ gesetzten Schwerpunkte: Am Columbiadamm, wo ein Turnverein bereits auf den früheren Sportanlagen der Alliierten das Angebot an Tennis, Beachvolley- und Basketball erweitert hat, setzt man nun auf die Wellness-Welle: Ein ganzes „Gesundheitsquartier“ soll entstehen, mit etwas Glück machen sogar die legendären Shaolin-Mönche aus der Provinz Henan mit und bauen einen Pavillon. Aber man sucht außerdem Investoren für einen „medizinischen Bereich“ mit Spa und Rehabilitation.

Umwelt, Ressourcen und Öko-Techniken hatte sich schon einer der Sieger im städtebaulichen Wettbewerb für das Quartier auf seine Fahnen geschrieben. Auch dieses Konzept wird ausgebaut: Ein Training und Testcenter für „eBikes“ wird entstehen. Große Klippen stehen nicht mal dem Einsatz von Segways und schnelleren elektrisch betriebenen Gefährten für mehrere Personen im Wege.

Typisch Berlin ist wohl das Projekt „Rübezahl-Garten“. Wer vom Erfolg eines ähnlichen Vorhabens in einer Baulücke in Kreuzberg in dieser Zeitung las, wird nicht daran zweifeln, dass der geplante Obst- und Gemüsegarten auf dem früheren Flugfeld ein Erfolg wird: Imker werden dort zu Werke gehen und abends wird Pizza im Steinofen gebacken. Die Betreiber haben mit einer Sekundarschule eine „Garten-AG“ vereinbart und kooperieren mit Kitas. Ein Ideenworkshop in der Neuköllner Oderstraße soll an diesem Sonntag stattfinden.

Überhaupt: Nord-Neukölln, dieser Inbegriff von sozialem Absturz, aber auch von der Kunst, ganz unten Kunst zu machen, soll aufs Engste mit dem Tempelhofer Feld vernetzt werden. Das größte Baudenkmal Europas ist also auch ein bisschen Sozialprojekt. Neuköllner Schüler der Zuckmayer-Oberschule sollen als „Solarhelfer“ kleine Installationen zur Erzeugung von Öko-Energie montieren. Kunst- und Kulturcontainer sollen aufgebaut werden, in denen Jugendliche aus dem Schillerkiez ihre Werke ausstellen. Der Verein „Entegre“, zu türkisch: Integration, steht dahinter. An Jugendliche richtet sich auch das Projekt „Vogelfreiheit“, das einen Skate- und BMX-Parcours, Hip-Hop-Streetdance-Flächen und einen Kletterturm anlegen will. Kiezkultur ist das, mit „Street Credibility“, wie es Neudeutsch heißt: „Respekt“, so schreibt der Träger, genössen die Akteure, „weil sie selbst in der Szene groß geworden“ sind.

Von der Straße zurück zur Natur, über die Kunst zur Bildung – so führt der Parcours über das Tempelhofer Feld zum südlichen Rand: Dort setzt man auf Projekte im Umfeld des Baus der Landes- und Zentralbibliothek, auch wenn deren Finanzierung noch ungewiss ist.

Und worauf freut sich die Senatorin selbst am meisten an diesem kühlen Herbsttag? „Stellen Sie sich 20 Zentimeter Neuschnee vor und eine Loipe, die über das ganze Flugfeld führt.“ Notfalls mit Kunstschnee? Nein – „kein Geld“.

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