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Testflug auf der Ila: Atemberaubende Luftnummer im Air Racer

Wie fühlt es sich an, am Himmel wilde Loopings im Air Racer zu drehen? Bei welcher Beschleunigung wird man ohnmächtig? Ein Selbstversuch auf der Ila.

Als ich wieder zu mir komme, scheint das Universum in meinem Kopf zu explodieren. Aus irgendeinem Grund bin ich darüber unheimlich glücklich, fühle mich wie in Watte gepackt. Erst als das Spiel bunter Lichter vor meinen Augen verschwindet, stelle ich einigermaßen überrascht fest, dass ich in einem Flugzeug sitze. Panisch greife ich nach dem Steuerknüppel. „Bist du wieder da?“, schreit eine Stimme in meinem Ohr. „Ja“, antworte ich. Dabei weiß ich weder, dass ich weg war, noch wo ich jetzt bin. Doch mit dem Gefühl in Armen und Beinen kehrt auch die Erinnerung zurück: Ich sitze als Co-Pilot mit dem mehrfachen Kunstflugweltmeister Klaus Schrodt in einer Air-Race-Maschine. Gerade hat er mir gezeigt, was er so drauf hat und ich bin in Ohnmacht gefallen. Aber von Anfang an...

Auf dem Messegelände der Ila am Flughafen Schönefeld laufe ich an den Ausstellern vorbei zu einem unscheinbaren Stand von Red Bull, der Werbung für das Flugrennen am 7. und 8. August in der Lausitz macht. Journalisten wollen sie zeigen, wie sich so ein Flug anfühlt. Ich darf auch mitfliegen. Als mich Mitarbeiter des Red-Bull-Teams zur Sicherheitseinweisung führen, fühle ich mich bereits gut vorbereitet. Nicht umsonst habe ich eine verspiegelte Pilotenbrille aufgesetzt, die mich nach eigener Ansicht aussehen lässt wie Tom Cruise in „Top Gun“. Ob das noch jemand findet, weiß ich nicht. In den Flieger darf ich sie ohnehin nicht mitnehmen. „Kleine Objekte können während des Fluges zu tödlichen Geschossen werden“, steht auf der Verzichtserklärung. Widerwillig unterschreibe ich und erkenne an, dass niemand für die Sicherheit garantieren wird.

Mein Pilot, Klaus Schrodt, ist bester Laune. Genau wie ich steckt er in einem blauen Fliegeranzug. Genau wie ich verliert er in der prallen Sonne sekündlich mehr Flüssigkeit, als wir Energydrinks trinken können. Doch der Anzug erfüllt seinen Zweck. Als mich vor dem Start eine wildfremde Blondine fragt, ob sie mich mit „meiner“ Maschine fotografieren dürfe, steht mein Entschluss fest: Ich werde Pilot.

Dann wird es ernst. Klaus bringt uns weg vom Flughafen auf offenes Gelände, und dann ab in die Luft. „Jetzt du, versuch mal die Rolle“, höre ich über den Sprechfunk. Klaus hat mir gesagt, wie das geht, Nase über den Horizont, Steuerknüppel nach links reißen. Ich denke nicht lange nach, mache einfach. Als der Himmel wieder oben und die Erde wieder unten ist, schlägt mir das Herz bis zum Hals. Klaus bleibt ruhig, er hat noch nicht einmal angefangen. Mit einem Looping gewöhnt er mich an die G-Kräfte, die einen während des Fluges mit einem vielfachen des eigenen Körpergewichts in den Sitz pressen. Dann demonstriert er eine schnelle Wende. Das Messgerät zeigt 8G. Das ist in etwa so, als wöge ich von einem Moment auf den anderen 520 Kilo. Meine Gesichtszüge entgleisen, ich kann spüren, wie die Haut um meine Augen sich langsam an meinen Wangenknochen vorbeischiebt. Als unsere 300 PS starke Extra E-300 L auf dem Rücken fliegt, schlägt die Messnadel in den negativen G-Bereich um. Die physikalisch korrekte Beschreibung dafür, dass einem das Blut mit brutaler Gewalt in den Kopf schießt. „Mehr geht nicht“, sagt Klaus. „Sonst platzen die Gefäße in den Augen.“ Ich glaube ihm.

Als Klaus für einen „Quadro“ in die Steilkurve fliegt, gehen bei mir die Lichter aus. 15 Sekunden, schätzt er, bin ich weg gewesen. Dass er, um mich zu wecken, von hinten auf meinen Helm einschlägt, bekomme ich nicht mit. Doch er beruhigt mich. Bei unerfahrenen Fliegern könne das schon einmal vorkommen. Weil ich die sogenannte „Pressatmung“ nicht richtig angewendet habe, schaltete mein Gehirn kurzzeitig ab. Wir fliegen lieber wieder zurück.

Wie es mir denn gehe, fragt Klaus kurz vor der Landung. „Gut“, lüge ich selbstbewusst, denn wenn ich ihm gesagt hätte, dass ich mich fühle wie gekaut und ausgespuckt, wäre das noch geprahlt gewesen. Ich bin stolz wie Oskar. Leider habe ich auch die Gesichtsfarbe mit der Figur aus der Sesamstraße gemein. Jetzt bloß keine Schwäche zeigen. Mit großer Geste winke ich den Zuschauern zu, die mit ihren Fotoapparaten am Rande der Rollbahn stehen. Was Klaus dankenswerter- weise nur mir sagt, und nicht den Zaungästen, die amüsiert beobachten, wie ich auf wackligen Knien aus der Maschine steige, ist, dass er bei dem Flug nur 50 Prozent gegeben hat. Sidney Gennies

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