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Tabori

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Theater: Adieu mit schwarzem Humor

Weggefährten nahmen im Berliner Ensemble Abschied von George Tabori. Auch Klaus Wowereit las aus einem Text des Theater-Altmeisters.

"Meine Heimat ist ein Bett und eine Bühne", hat George Tabori einmal gesagt. Seine letzte Heimat, das Berliner Ensemble (BE) am Schiffbauerdamm, hat der Theater-Altmeister kurz vor seinem Tod am 23. Juli noch einmal besucht. Da saß der 93-Jährige im Hof des Theaters in einem roten Lederstuhl und hat sich ein letztes Mal fotografieren lassen. Am Montagabend stand der Sessel leer auf der Bühne.

Freunde und Weggefährten, darunter BE-Intendant Claus Peymann, Senta Berger, Sunnyi Melles, Felix von Manteuffel, Peter Radtke, Carmen-Maja Antoni und Manfred Karge, nahmen mit einer Lesung von Tabori-Texten Abschied vom "dienstältesten Theatermacher der Welt". Mittendrin in der Extraklasse der deutschen Theaterszene: Klaus Wowereit (SPD).

Berlins Regierender Bürgermeister zollte dem bedeutendsten Theatermann seiner Stadt auf ungewohntem Terrain durchaus professionell Tribut. Er las - an 16. Stelle im Programm - aus einem Brief Taboris an die Direktion der Salzburger Festspiele. Tabori wehrt sich darin 1987 gegen das Ansinnen, vermeintlich obszöne Szenen seiner Inszenierung von Franz Schmidts Oratorium "Das Buch mit den sieben Siegeln" dem etwas feineren Geschmack des Salzburger Publikums anzupassen. Unter den prominenten Gästen im Zuschauerraum war auch Bundespräsident Horst Köhler.

Schwarzer Humor, Heiterkeit und Betroffenheit

Es wurde ein Abend, wie er dem Altmeister vermutlich gefallen hätte: So viel Publikumsandrang, dass die Plätze im Theater bei weitem nicht ausreichten, viel schwarzer Humor, Heiterkeit und immer wieder Betroffenheit. Taboris zentrale Themen waren das Grauen von Rassismus und Massenmord und die Auseinandersetzung mit dem Tod. Auf geniale Weise setzte er dem Furchtbaren eine absurde Komik entgegen - als Regisseur, als Stückeschreiber und privat. Eingespielte Interviews und Porträts ließen einen Mann voller Lebensweisheit noch einmal lebendig werden. "Glück entsteht, wenn das Unglück aufhört", sagt er etwa. Auf die Frage von Günter Gaus, ob er sich vor dem Tod fürchte, antwortet Tabori 84-jährig trocken: "Nein, momentan nicht." Im Übrigen, fügt er hinzu, sei er leicht auf die Welt gekommen und erwarte, dass er den Weg zurück ebenso leicht gehe.

Immer wieder beschäftigt sich Tabori mit der Geschichte seiner jüdischen Familie. Mit dem Vater, der beim Eintritt in die Gaskammer in Auschwitz zu seinem Nachbarn - "ganz Gentleman" - gesagt haben soll: "Nach Ihnen, mein Herr!" Mit der Mutter, die in Budapest der Deportation nach Auschwitz nur durch ein Riesenglück entging. Mit dem eigenen Jüdisch-Sein: "Ich wurde nicht jüdisch erzogen. Ich war nie in einer Synagoge. Erst die Deutschen haben mich zum Juden gemacht." Und er frönt in seinen Texten einer seiner großen Leidenschaften: Dem Philosophieren über das Theater. Werktreue, so räumt er ein, sei nie seine Sache gewesen. Man könne ja schließlich nicht mit Shakespeare telefonieren und ihn fragen, ob Hamlet fett sei.

Die Theaterwelt hat Abschied von George Tabori genommen - auf der Bühne wird er fortwirken. Am Berliner Ensemble stehen im September das Tabori-Stück "Gesegnete Mahlzeit" (2. und 22. September) sowie die von ihm besorgten Inszenierungen "Warten auf Godot" (6. September) und "Die Antigone des Sophokles" (13. September) auf dem Spielplan. Denen, die die Erinnerung an Tabori über die Bühne hinaus bewahren wollen, hat Ursula Höpfner, Schauspielerin und Ehefrau des Schriftstellers und Regisseurs, am Montag "Zehn bevorzugte Worte" Taboris mit auf den Weg gegeben. "Leben" war darunter, "Lieben", "Warten", "Hoffen" - und "Wir". (mit ddp)

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