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THEKEN Tanz: Razzia in Budapest

Die Studentenzeit des drinking man ist schon ein wenig her. Trotzdem hat der Besuch einer Bar, die das klassische, auf klamme Jungakademiker geeichte Retro-Sperrmüll-Ambiente bietet, immer noch einen eigentümlichen Reiz.

Von Frank Jansen

Die Studentenzeit des drinking man ist schon ein wenig her. Trotzdem hat der Besuch einer Bar, die das klassische, auf klamme Jungakademiker geeichte Retro-Sperrmüll-Ambiente bietet, immer noch einen eigentümlichen Reiz. Vielleicht weil es die exakte Antithese zum elegant drinking darstellt, das eigentlich ein unantastbares Ideal sein sollte. Aber warum nicht mal in den schmuddeligen Untergrund abtauchen, in dem ebenfalls Cocktails konsumiert werden, welcher Qualität auch immer? Für diese Art Feldforschung schien das „Razzia in Budapest“ das geeignete Etablissement zu sein, zumal der Name schon von juveniler Lust am Vorzeigen wunderlicher Begriffe kündet.

Die Betreiber nehmen den Titel allerdings ernst. Auf ihrer Homepage heißt es, „der Name erinnert an einen Kinofilm über den Widerstand der illegalen kommunistischen Partei im Ungarn der dreißiger Jahre und gleichzeitig daran, dass auch ,Prenz’lberg’ in dieser Zeit eine Hochburg des antifaschistischen Widerstands war“. Huch! Wird man in dieser Bar von Old-School-Commies agitiert? Und trinken die überhaupt? Der drinking man nahm vorsichtshalber einen unerschrockenen compañero mit.

Das Mobiliar in dem recht dunklen Barschlauch sieht aus, als sei es der BSR entwunden. Leicht derangierte Polstermöbel, alte runde Holztische, allerlei nostalgischer Nippes. Das Publikum ist jung und kiezig, in einem Nebenraum traktierte eine Clique einen Kicker. Aus den Boxen schepperte Gitarrenrock. Der Keeper, ein freundlich-derber Kahlkopf, brachte die Getränkekarte. Die meisten Klassiker stehen drin.

Der Mai Tai war stark und gut, hätte allerdings etwas mehr Mandelsirup vertragen können. Über den Planter’s Punch lässt sich sagen, dass er passabel schmeckte. Der Keeper steigerte sich beim Sex on the Beach und versuchte auch einen Frozen Daiquiri. Das Resultat: ein Schaumrand-Rum-Mixgetränk, das man vielleicht als illegal-ungarisch-kommunistische Variation des Originals bezeichnen könnte. Ließ sich aber umstandslos wegtrinken. Kein Anlass für eine Razzia der Berliner Cocktailpolizei. Die Drinks animieren nur zu Fantasien, wie weitere Lokale zu benennen wären mit einer Kombination von Sprache der Repression und postkommunistischer Hauptstadt. Wie wäre es mit „Schlagstock in Moskau“ oder „Reizgas in Minsk“? Ein Wirt mit Mut würde vielleicht sogar anschlagen: „Unterbindungsgewahrsam in Dnjepropetrowsk“. Aber das ist gar keine Hauptstadt. Schade. Frank Jansen

Razzia in Budapest, Oderberger Straße 38, Prenzlauer Berg, Tel.: 48 62 36 20, täglich ab 19 Uhr

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