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Schuhlager

© Uwe Steinert

Turnschuhklappe: Wenn das Schuhe macht

Firmen spenden 1000 Paar Markensneakers an bedürftige Kinder der Arche in Hellersdorf.

Auf der einen Seite stapeln sich Berge von Marken-Turnschuhen, die von den Herstellern jedes Jahr nach der Inventur einfach weggeworfen werden. Auf der anderen Seite stehen rund 1,7 Millionen bedürftige deutsche Kinder, deren Eltern kein Geld für ordentliches Schuhwerk haben. „Deshalb haben wir die Turnschuhklappe ins Leben gerufen“, sagt Andre Heller. „Wir wollen einfach helfen, schnell und unkompliziert.“ Vorgestellt werden sollte das Projekt am Montagabend im „Rodeo“-Club in der Auguststraße in Mitte; zur Party wurden auch die Schauspieler Daniel Brühl und Wilson Gonzales Ochsenknecht erwartet.

Der 30-jährige Andre Heller betreibt in Frankfurt am Main selbst einen Laden für Turnschuhe. Als er 2008 mehrfach eine Freundin in Berlin besuchte und mit ihr in den ärmsten Bezirken der Stadt unterwegs war, war er erschüttert von der Kinderarmut, die er dort sah. Denn jedes vierte Kind unter 15 Jahren in Berlin lebt unterhalb der Armutsgrenze. Er habe dann die ihm bekannten Turnschuh-Hersteller angerufen und nach Spenden gefragt, erzählt Heller. Und so kamen schnell 3000 Paar Turnschuhe zusammen. Ein Drittel davon hat Heller dem Christlichen Kinder- und Jugendwerk „Die Arche e. V.“ in Hellersdorf gespendet, das über seine Kleiderkammer 500 Paar an bedürftige Kinder verteilt. Die anderen Schuhe gehen an die Arche-Standorte in Hamburg und München (mehr unter www.turnschuhklappe.de).

Gerade teure Markenschuhe könnten sich ja viele nicht leisten, sagt Paul Höltge von der Arche. Dabei seien die doch qualitativ besser und hielten länger. Auch würden viele Kinder ausgegrenzt, weil sie keine Markenschuhe trügen. „Unsere Erfahrung zeigt leider, dass alle Klischees in Sachen Diskriminierung auf dem Schulhof zutreffen“, sagt Höltge. Doch ist es vertretbar, dem Markenwahn weiter Vorschub zu leisten? Und wie gehen Heller und sein Team mit dem Vorwurf um, dass einige der großen Hersteller ihre Turnschuhe durch Kinderarbeit herstellen lassen?

„Es geht nicht um globale Probleme“, sagt Johannes Finke, Chefredakteur des „Blank Magazins“ mit Sitz in Mitte. Hier in den Redaktionsräumen stapeln sich die Schuhkartons. „Die Kritik ist ja berechtigt, doch ich möchte dort helfen, wo die Hilfe sichtbar ankommt“, sagt Finke, der vom Klingeln des Telefons unterbrochen wird. Am Apparat ist ein Mitarbeiter eines Münchner Durchgangslagers für Asylbewerber, der nach einer Turnschuh-Spende fragt. Heller am Nebentisch reagiert sofort: Natürlich, wir werden ihnen 50 Paar zukommen lassen. Er selbst weiß, was es heißt, arm zu sein: Als Kind habe er im Heim gelebt, als Jugendlicher einige Zeit auf der Straße. Und schon immer sei er gern gelaufen. Dann hat ihm das Team eines Altersheims, wo er Sozialstunden ableistete, ein Paar gute Laufschuhe geschenkt: „Das war mein Schlüsselerlebnis, und ich hoffe, vielen Kindern eine ähnliche Freude zu bereiten.”

Für das nächste Jahr hat sich Heller noch mehr vorgenommen. Er will weitere Unterstützer gewinnen, zu denen bereits die Schauspieler Uwe Ochsenknecht und Robert Stadlober sowie Sänger Patrice gehören. Und eine Möglichkeit finden, private Sneaker-Spenden anzunehmen. Darüber hinaus könnte Heller bald über einen neuen Namen für sein Projekt nachdenken müssen: Der erste Spender, der ihm 100 neuwertige Snowboard-Jacken überlassen möchte, habe nämlich bereits angefragt.

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