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Stadtleben: Undiplomatische Türpolitik

Das Goya hat spontan eine Party abgesagt, weil zu viele Türken kamen Das ist Rassismus, sagen Kritiker. Der Club sieht es als Sicherheitsmaßnahme

200 Gäste standen schon vor der Tür des Goya, dann wurde die Party plötzlich abgesagt, noch bevor sie begonnen hatte. Die Begründung der Club-Verantwortlichen: In der Warteschlange waren zu viele Türken – und darauf sei man nicht vorbereitet. Hätte man gewusst, wie viele Türken zu der Party wollten, hätte man vorsichtshalber das Sicherheitspersonal aufgestockt.

„India Night“ war das Motto der Goya-Party am 30. Juni. Gespielt werden sollte vor allem Bollywood-Musik, also Lieder aus indischen Kinofilmen. Dafür hatte der Berliner Party-Veranstalter Alkan Kama das Goya am Nollendorfplatz für einen Abend angemietet. „In unserem Vertrag stand natürlich nirgendwo, dass wir nur Inder reinlassen würden“, sagt Kama. Trotzdem fühlt sich die Treugast, die das Goya seit dem Neustart vor vier Wochen regelmäßig an Firmen vermietet, von Alkan Kama getäuscht.

„Es ist mir völlig schnurzpiepegal, ob es eine türkische Party wird oder nicht“, sagt Treugast-Chef Stephan Gerhard. „Wir müssen vorher wissen, welche Klientel kommt.“ Das sagt auch der Sicherheitsdienst B.E.S.T.. Ein Bollywood-Abend sei nun mal etwas anderes als ein klassischer Diskoabend, sagt Einsatzleiter Sebastian Dupke. In Diskotheken habe man immer „ein paar freundliche, aber durchaus kräftige Kerle im Hintergrund“. Diese seien aber an jenem Abend beim Streisand-Konzert in der Waldbühne gewesen.

Diese Argumentation findet Veranstalter Alkan Kama rassistisch. „Soll das heißen, Inder sind friedlich und Türken machen Krawall?“ Kama, 28, in Berlin geborener Deutscher mit türkischen Eltern, veranstaltet seit zwölf Jahren Partys. Er kennt türkische Jugendliche, die sich aggressiv verhalten. „Dafür gibt es Türsteher, um solche Leute nicht reinzulassen.“ Kamas Partyreihe heißt „Sosyete“, das heißt Society. Oder frei übersetzt: Schicki-Micki-Party. Alkan Kamas Party haben einen guten Ruf. Im Club K44 in Kreuzberg, wo neben Kamas Veranstaltungen auch viele Berlinale-Partys stattfinden, hatte man nie Probleme mit den Besuchern. „Die sind angenehm“, sagt der Clubchef. Das könne auch daran liegen, dass Kamas Publikum schon etwas älter sei, „die stehen alle im Leben, haben Jobs, manche sind verheiratet. Und sind entspannter als viele Deutsche“.

Ein Club-Betreiber aus Mitte, der nicht genannt werden möchte, hält die Absage ebenfalls für „völlig überzogen“. In der Clubszene gebe es zwar ein Problem mit aggressiven, jungen türkischen Cliquen. Die seien aber in der Minderheit, zudem gebe es „mindestens so viele deutsche Gangster-Cliquen: Sie kommen mindestens zu fünft, verhalten sich in der Schlange ungeduldig, schubsen.“ Das weiß auch der zuständige Sicherheitsdienst, der bei Hertha BSC im Einsatz ist und die Fußball-WM 2006 bewachte. Er war allerdings irritiert, dass die Türsteher des Veranstalters abends „stichfeste Westen“ trugen – bei einer Bollywood-Feier. Treugast-Chef Gerhard sagt: Man könne „keine Kinderfeier anmelden und dann ein Rockkonzert veranstalten“. Den Rassismus-Vorwurf weist er zurück. Im Tempodrom, das ebenfalls der Treugast gehört, hätten 2006 sechs türkische Partys stattgefunden; im Goya habe es jüngst eine kroatische, eine persische Party sowie zum Neustart eine Schwulen- und Lesbenparty gegeben. Der Treugast seien Einnahmen von 13 000 Euro durch die Lappen gegangen; trotzdem muss Sicherheitsdienst und Barpersonal bezahlt werden.

Im Goya werde es in absehbarer Zeit wohl keine Partys seiner Sosyete-Reihe gebe, sagt Kama. Und bei Vertragsabschlüssen mit anderen Vermietern will er auch künftig nicht angeben, „welche Ethnien wir als Publikum erwarten“. Und sollte es eine türkische Motto-Party gebe, dürften natürlich auch Inder rein. AG/sel

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