zum Hauptinhalt
Diesmal Diktator. Am Freitag hat das Stück „Gasherd und Klistiere“ mit Wolfgang Bahro als Hitler am Jüdischen Theater Bimah in der Neuköllner Jonasstraße Premiere.

© Paul Zinken

Wolfgang Bahro als Hitler: Dunkle Zeiten, schlechte Zeiten

Eine Herausforderung: Wolfgang Bahro, Dauer-Star der TV-Soap "Gute Zeiten, schlechte Zeiten", gibt in einem Neuköllner Theater den Hitler.

Der Massenmörder sitzt wie maßgeschneidert. Das Jackett, ein Zweireiher in Feldgrau, Goldknöpfe, auf Hochglanz poliert, von denen sich ein ganzes Volk blenden lassen soll. Der schmale Oberlippenbart, der nur lustig wirkt, wenn er zu Stock und Melone getragen wird. Und dazu, unter dem streng gezogenen Scheitel, die Irrsinns-Mimik im Anschlag, halb vor dem Spiegel einstudiert, halb aufgeschminkt. Wolfgang Bahro steht als Adolf Hitler in einem Neuköllner Hinterhof und könnte in diesem Moment kaum weiter weg sein von einem Alltag, der sonst eine Seifenoper ist.

Bahro kommt gerade aus der Maske, in einer halben Stunde beginnen die Proben zu „Gasherd und Klistiere“, einem Stück von Rolf Hochhuth, das diesen Freitag am Jüdischen Theater Bimah in der Jonasstraße unter der Regie des Intendanten Dan Lahav uraufgeführt wird. Bahro richtet das Jackett. Die Anspannung ist ihm anzusehen. „Natürlich lastet eine gewisse Verantwortung auf mir“, sagt er und zieht noch einmal das Führergesicht zurecht, bevor er wieder auf die Bühne muss, „es ist eine große Herausforderung, diese Rolle zu spielen. Gerade hier am Jüdischen Theater.“

Das Bärtchen - nur mit Melone lustig.
Das Bärtchen - nur mit Melone lustig.

© Paul Zinken

Wolfgang Bahro hat diese Herausforderung, vor allem aber auch den Hitler an sich, angenommen und eine überraschend radikale Verwandlung durchlaufen. Denn eigentlich schien es bisher, als sei Bahros Rollenrepertoire ein eher eindimensionales. Viele kennen den 50-Jährigen ausschließlich als Jo Gerner bei „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“. Seit 18 Jahren verkörpert Bahro dort den durchtriebenen Anwalt, der als stereotype Charaktermaske mittlerweile zu einer Art zweiter Haut des Schauspielers geworden ist. Ein Schatten, der besonders in der Öffentlichkeit hartnäckig an ihm haftet. Nach mehr als eineinhalb Jahrzehnten Vorabendfernsehen haben sich die Grenzen zwischen Schauspieler und Rolle aufgelöst. Ein Phänomen, das auch andere Darsteller täglicher TV-Dramoletten teilen. Bahro ist mit dem Charakter des Jo Gerner heute unweigerlich verschmolzen. Wenn er das Haus verlässt, ist er Gerner.

Dabei hatte Bahro, der in Wilmersdorf aufwuchs, bei seinem Einstieg in die Serie 1993 nicht geplant, seinen schauspielerischen Lebensmittelpunkt komplett in die Filmstudios nach Babelsberg zu verlegen. „GZSZ“ sollte ein Experiment sein, nur eine Zwischenstation. „Die ein, zwei Jahre kann ich das doch machen“, dachte er damals. Und dann einfach wieder aussteigen. Aber Bahro blieb, und die Serie wurde in den Folgejahren wider Erwarten deutsches Trivialkulturgut. Eine Erfolgsgeschichte mit einem Zuschauerschnitt um die fünf Millionen und eine Hochleistungsmaschine, die unbekannte Schauspieler wie Oli P. oder Yvonne Catterfeld zu Stars machte. Viele kamen, viele gingen. Bahro blieb. GZSZ wuchs, und so wuchs Bahro mit und ist heute, als einer der letzten Verbliebenen der Anfänge, längst auch Gesicht der Serie.

Nur ist in dieser Zeit ein wenig in den Hintergrund gerückt, dass Wolfgang Bahro eigentlich einen ganz anderen künstlerischen Hintergrund hat als die meisten seiner Kollegen, die nach dem Ausstieg aus der Serie für gewöhnlich Moderatoren werden oder um die Gunst des Publikums tanzen müssen. Bahro aber ist im politischen Kabarett groß geworden. Bei den Stachelschweinen und später, nach der Wende, auch in der Distel. Noch heute steht er regelmäßig auf der Bühne und findet dort seinen Ausgleich zur Arbeit in der Seifenfabrik GZSZ. „Das Kabarett ist Erholung für mich“, sagt Bahro dann, wenn er einfach nur Bahro ist. Nicht Gerner. Nicht Hitler.

Ohne Bart: Wolfgang Bahro in echt.
Ohne Bart: Wolfgang Bahro in echt.

© dpa

Den Verdacht, dass sein Griff zum Massenmörder nun auch ein Versuch sein könnte, sich eindrucksvoll und nachhaltig von der Rolle des Jo Gerner zu emanzipieren, wischt er mit derselben Vehemenz beiseite, mit der er auf der Bühne in den Hitler schlüpft. „Als Gegenpart zu Gerner hätte ich den Hitler nicht gebraucht. Mich hat tatsächlich in erster Linie die Figur gereizt“, sagt er und schiebt dann noch mit einem Tonfall wie ein Augenzwinkern hinterher: „Von Gerner zu Hitler ist es nicht so weit. Um mich da zu emanzipieren, hätte ich eher einen Sympathen spielen müssen. Oder Jesus.“

Bahro hat sich mit der Person Gerner arrangiert. Als Rolle seines Lebens hat sie ihm zu einer gewissen Prominenz verholfen, die es ihm heute ermöglicht, Projekte wie das Stück am Jüdischen Theater ohne finanziellen Druck zu realisieren. Und selbst wenn Bahro versichert, dass die Aufführung keine One-Man-Show wird, ist es eben auch seine GZSZ-Identität, die dem kleinen Theater Aufmerksamkeit beschert. Schon jetzt diskutieren die Fans in den Internetforen der Serie, wer sich das Stück anschauen wird. Weil da ja Gerner als Hitler auftrete.

Karten für das Bimah in der Jonasstraße 22 gibt es unter Telefon 251 10 96 oder www.juedischestheaterberlin.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false