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Stadtschloss in Berlin: Die Kampagne gegen Franco Stellas Ostfassade ist bizarr

Die Ostfassade soll weg, um das Schloss zu retten? Das käme einer Vergewaltigung des Barock gleich. Meint unser Gast-Autor Florian Mausbach. Und was meinen Sie?

Der Wiederaufbau des Berliner Schlosses als Humboldtforum ist in vollem Gange, da taucht aus der Versenkung der Entwurf eines vor Jahren im Wettbewerb gescheiterten Architekten auf. Er wird zum Anlass für eine bizarre Kampagne gegen die Ostfassade des Schlossarchitekten Franco Stella. Auch das Neue Museum von David Chipperfield wird gegen den italienischen Architekten ins Feld geführt. Erinnert sich niemand daran, wie seinerzeit Chipperfields Treppenhaus im Neuen Museum öffentlich angegriffen wurde? Bis hin zur Petition an den Deutschen Bundestag, dem Treiben des britischen Architekten Einhalt zu gebieten? Chipperfield hatte statt einer Rekonstruktion des Stüler’schen Treppenhauses dessen historische Struktur in einer abstrakten modernen Betonskulptur wiederauferstehen lassen. Nichts anderes sieht Franco Stella für den Ostflügel des Berliner Schlosses vor, die Vervollständigung des Schlosskubus in der abstrakten Struktur einer Schlüter’schen Barockfassade.

Drei Barockfassaden sollten wieder erstehen

Ohne jedes Dekor wirkt diese ebenso schlicht und monumental wie Chipperfields Treppenhaus. Beide Architekten bezeugen so den historischen Bauwerken wie ihren großen Vorgängern Respekt. Ziel des Architektenwettbewerbs zum Wiederaufbau des Schlosses 2008 war, die über Jahrhunderte von großen Baumeistern gestaltete städtebauliche Komposition zurückzugewinnen, deren Mittelpunkt der Kubus des Schlosses mit seinen zwei Höfen ist: ein Schloss, das sich nach außen verschließt, um sich nach innen überraschend zu öffnen. Drei Barockfassaden sollten wieder erstehen, die Nord-, West- und Südfassade sowie die drei Barockfassaden des Schlüterhofs, die Ostfassade des Kubus aber in moderner Architektur.

Ist das schon vergessen? Der Entwurf von Stephan Braunfels schied aus, weil er gegen die Wettbewerbsauslobung verstieß. Er verdreht und verkehrt den Schlüterhof, macht die Ostseite, die barocke Schauseite des Schlüterhofs, zur Westseite, um den Hof nach Osten aufzureißen. Diese Kulissenschieberei wäre nicht nur die postmoderne Vergewaltigung der architektonischen Idee eines bedeutenden europäischen Barockbauwerks, sondern auch die endgültige Zerstörung der Geschichte dieses Ortes. Der ist nicht nur symbolischer Mittelpunkt brandenburgisch-preußischer Geschichte, sondern auch der deutschen Geschichte samt ihrer Revolutionen. Das Schloss war nur als kurfürstliches Renaissanceschloss, als Herrschaftsbau gegenüber der Bürger- und Handwerkerstadt Alt-Berlins, nach Osten gerichtet, später nach Süden zu Schlosshof und Breite Straße, schließlich mit der Stüler’schen Kuppel nach Westen zur Prachtstraße Unter den Linden. Einen Ehrenhof als Empfangshof mit offenen Flügelarmen wie beim Schloss Bellevue gab es nie.

Schon gar nicht hin zur Bürgerstadt Alt-Berlins mit dem Rathaus.

Monumentalachse vom Schloss zum Fernsehturm - ein surreales Szenario

Die nationale politische Mitte der Bundeshauptstadt liegt heute vor dem Brandenburger Tor im Spreebogen. Deshalb ist die von Braunfels vorgeschlagene Monumentalachse vom Schloss zum Fernsehturm – mit einer strammstehenden Ehrenformation von Bauten in Reih und Glied – als neuer Mitte der Hauptstadt ein surreales Szenario. Der verkehrte Schlosshof breitet in demutsvoller Geste seine Flügelarme aus zum Fernsehturm als übergroßem Götzenbild.

Autor Florian Mausbach war Präsident des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung zwischen 1995 und 2009 und lebt nun als Publizist in Berlin.

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