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Stadtschloss-Wiederaufbau: Die Erfüllung eines Künstlerlebens

Berlin bekommt wieder ein Schloss, und nach jahrhundertealten Techniken meißeln Handwerker und Künstler den Fassadenschmuck. Ein Werkstattbesuch.

Berlin hat jetzt eine Schlossbauhütte. Toll! Da assoziiert man automatisch die Kölner Dombauhütte, eine jahrhundertealte, ehrfurchtheischende Institution mit Sitz direkt am Dom. In Berlin geraten die Dinge aber immer etwas profaner. Und liegen abseits vom Zentrum.

„Ihr Navigationsgerät findet das nicht“, warnt Bernhard Wolter, Sprecher der Stiftung Berliner Schloss. Er sollte Recht behalten. Eine Werkstatthalle im Spandauer Norden, Gewerbegebiet, früher haben die Briten ihre Militärfahrzeuge hier gewartet. Kein Schild weist auf die Bauhütte abseits der Straße hin, das sei auch nicht geplant, sagt Wolter. Besucher werden nach Anmeldung mit einem Bus von der Humboldt-Box hierher gebracht. Wenn sie vorher ausreichend gespendet haben.

Stiftungschef Manfred Rettig hat gerade eine Gruppe CDU-Abgeordnete im Schlepptau. Sie haben Geld für ein Widderkopfmodell gesammelt und lassen sich nun die originalen Fundstücke und Gipsvorlagen im Hochregal zeigen. Besondere Anziehungskraft entfalten die originalverwitterten Schlüter-Figuren in einer separaten Garage. Die gewichtigen, kopflosen Sandsteindamen sind mit blauen Kunststoffbändern an ihre Transportpaletten gefesselt. Sie wurden schon Anfang des 19. Jahrhunderts von der Attika des Schlüterhofes entfernt und zu ihrem Schutz eingelagert.

Die Bauhütte ist das zentrale Depot für die 3000 Schmuckelemente der barocken Schlossfassade. Bislang existieren vor allem Gipsmodelle, die unter der Regie des Schlossförderers Wilhelm von Boddien in den Weddinger Uferhallen entstanden sind. Bildhauer müssen die Widderköpfe, Kapitelle, Adler und Wappenschilde später in Stein hauen. Es gibt auch einige original erhaltene Ornamente und herausgebrochene Wandsteine, ob sie ins neue Schloss eingebaut werden, ist aber noch offen.

Vor der Wartungshalle steht ein offener hölzerner Schuppen, frisch errichtet, der „Schauer“ für die Steinmetz- und Bildhauerarbeiten. Der 63-jährige Carlo Wloch arbeitet hier nicht anders als seine Kollegen vor 300 Jahren, mit Holzklöppel und Steinmeißel. Er hat gerade etwas Zeit, weil die Expertenkommission, die alle fertigen Ornamente begutachtet, seiner Kritik nachgegeben hat. Wloch hatte den gelieferten Sandstein als zu hart moniert, jetzt soll er einen weicheren bekommen. „Der Stein hat eine Haut, der lebt“, sagt er, und die barocke Steinhaut ist eben etwas lebendiger, mit einer feineren Maserung, als es die spröden Steinblöcke hergeben, die er noch vor Kurzem behauen hat.

Vorteil: 40 Prozent weniger Kosten. Nachteil: Weicher Sandstein verwittert schneller. Das halbfertige Wappen Friedrichs des Dritten, Kurfürst von Brandenburg, wird nicht weiter bearbeitet. Wloch hebt die Schultern, er ist nicht enttäuscht wegen der vergeblichen Mühe. Mit dem Schloss ist er seit zehn Jahren beschäftigt, da fällt so ein aufgegebenes Wappenprofil nicht ins Gewicht. Die nächsten zehn Jahre wird er ebenfalls den Stiftungsherren zu Diensten stehen. Ein Schloss zu bauen, das sei eben die Erfüllung eines Bildhauerlebens. Das meinen auch andere. Und so stehen immer wieder Bildhauerkollegen vor der Schlossbauhütte und fragen nach Arbeit. Da verweist Meister Wloch auf die Stiftung und die auf die Bundesbaudirektion, da möge man sich bewerben. Arbeit gebe es noch genug.

Lesen Sie auf Seite 2, wieviel Geschichte in dem Bau steckt - und wieviel Geld.

Bis Ende des Jahres sollen erste Fassadenteile zu einer Fensterachse zusammengesetzt und auf dem Schlossplatz aufgestellt werden, um den neu behauenen Sandstein am Originalstandort zu testen. Wie wirkt er im Sonnenlicht? Stimmen die Anschlüsse und Neigungswinkel? Die Schlosshandwerker müssen sich mit Fotos, Enwurfzeichnungen und Originalstücken akribisch an das verlorene Schloss herantasten. Baupläne sind nicht erhalten.

In der Spandauer Bauhütte ist Platz für 20 Handwerker und Künstler, nur fünf sind heute da. Einige arbeiten lieber in ihrer eigenen Werkstatt, sagte Wolter. Wloch und seine Tochter, die auch seine Gesellin ist, fühlen sich wohl in ihrem Schauer mit dem milden Nordlicht und einem leichten Windzug, der den feinen Quarzstaub fortträgt. Viele Steinbildhauer und Steinmetze leiden wie Bergleute unter der Berufskrankheit Staublunge.

Aus 42 verschiedenen Steinbrüchen sei das Schlossbaumaterial über die Jahrhunderte zusammengetragen worden, sagt Stiftungschef Rettig. Die preußischen Bauherren erwiesen sich dabei als kostenbewusste Pragmatiker. Im neuen Schloss werden es deutlich weniger Steinbrüche sein, mit höheren Qualitätsstandards, aber Rettig macht auch klar, dass der Bedarf „offen am Markt“ ausgeschrieben werde. Immerhin müssen die veranschlagten Kosten von 80 Millionen Euro für die barocke Fassade komplett aus Spendengeldern beschafft werden.

Hinter der Sandsteinfassade wird eine moderne Wärmedämmung eingebaut und dahinter steht dann schnöder Beton. Damit hat die Schlossbauhütte dann nichts zu tun. Mit ihrem großen Vorbild am Kölner Dom wird sich die Berliner Variante nie ernsthaft messen können.

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