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Berlin: Ständige Versuchung

Auf Imagesuche: Klaus Wowereit und zwölf Berater fahnden nach werbeträchtigen Attributen der Stadt Neue Parolen dürften schwer zu finden sein, denn modern war das Berlin-Marketing schon immer

Klaus Wowereits Expertenrunde in Sachen Berlin-Werbung ist nicht zu beneiden. Längst, so scheint es, ist werbetechnisch und schlagwortmässig alles gesagt, um die Leute zu einer Reise nach Berlin zu bewegen. Pathetisch und witzig war die Berlin-Werbung schon immer, modisch und grell, sachlich und kühl, kurz und gut – und, wenn man alte Plakate und Parolen nacheinander sieht und liest, immer stimmig, dicht am herrschenden Lebensgefühl. Es dürfte schwierig werden, zu toppen, was zu seiner Zeit gut funktioniert hat.

Bei der Suche nach einer neuen Werbestrategie will sich der Regierende Bürgermeister von zwölf Fachleuten aus Kunst, Kultur, Wissenschaft und Stadtentwicklung beraten lassen. Zum so genannten Berlin Board, das Wowereit am Freitag vorgestellt hat, gehört die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Jutta Allmendinger ebenso wie der Architekt Hans Kollhoff. Den Strategieberatern des Regierenden Bürgermeisters könnte gerade das letzte Plakat in einem Ausstellungsband Mut machen, der vor zwölf Jahren zum Thema „Berlin wirbt! Metropolenwerbung zwischen Verkehrsreklame und Stadtmarketing“ erschienen ist: Das Plakat von 1995 zeigt fünf Priester verschiedener Konfessionen, vom Imam bis zum evangelischen Pastor, und den Spruch „Berlin? Wir glauben dran“.

Ein Gefühl für die Potenziale der Stadt dürften alle gehabt haben, die für Berlin seit den zwanziger Jahren warben. 1926 raste auf einem Plakat eine Dampflokomtive in Richtung Hauptstadt. „Nach Berlin!“, hieß der Slogan dazu. Schon die Urgroßeltern derer, die heute über eine gute Berlin-Werbung nachdenken, sind dieser Aufforderung für eine Wochenende gefolgt, wenn sie es sich leisten konnten. Berlin war damals hip, auch wenn man das so nicht sagte. Als „Weltstadt“ verglich man sich 1933 mit New York. „A pleasant trip to Germany“ wünschte ein Plakat mit dem unvermeidlichen Brandenburger Tor vor einer knallgelben Silhouette den erhofften amerikanischen Touristen. Berlin war damals der Werbung zufolge auch per Zeppelin erreichbar.

Hauptstadtmythen, Baukunst, Unterhaltung, Kultur – sogar ein Goethe-Kopf warb schon mal für die Stadt. 1947 war das. Seither ist auf diese Idee keiner mehr gekommen. Öfter als der Großdichter ist selbstverständlich der Bär bemüht worden, im Westen wie im Osten, dort auch mit Friedenstaube. Klar, dass sich die „Hauptstadt“ der DDR in Teilungszeiten als solche verkaufen wollte. Die westliche Hälfte glich den fehlenden Titel mit Hinweisen auf Events und Feiermöglichkeiten aus. Die Touristen sollten Silvester nach Berlin – „4 Tage Fete auf dem Ku-Damm“. Oder die Stadt warb mit „Weltstadt-Cocktails“. Berlin macht Laune – das ist auch schon lange bekannt. Doch weil die Stadt sich stets verändert, wird den Berlin-Werbern schon etwas einfallen.

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