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Berlin: "Ständige Vertretung": Wer weiß, wofür et jot es!

Et es wie et es: All die großen Tiere waren schon mal da, und wenn einige (Gorbatschow, Adenauer) nicht selber kommen konnten, hängt wenigstens ihr Konterfei an der Wand. Meist haben die Präsidenten, Kanzler, Minister, Staatssekretäre, Abgeordnete, Schauspieler, Künstler auf den Bildern ein schmales Kölsch-Glas in der Hand, man hört förmlich dieses gemütliche "Prost!

Et es wie et es: All die großen Tiere waren schon mal da, und wenn einige (Gorbatschow, Adenauer) nicht selber kommen konnten, hängt wenigstens ihr Konterfei an der Wand. Meist haben die Präsidenten, Kanzler, Minister, Staatssekretäre, Abgeordnete, Schauspieler, Künstler auf den Bildern ein schmales Kölsch-Glas in der Hand, man hört förmlich dieses gemütliche "Prost!", und man sieht nur fröhliche Gesichter im Sinne von Artikel 3 der Rheinischen Verfassung: "Et hätt noch immer jot jejangen".

Die "Ständige Vertretung" ist nicht einfach eine von vielen Eckkneipen dieser Stadt - die StäV am Schiffbauerdamm ist eine Institution mit Kölsch und Himmel un Ääd und mit zwei Besitzern, die, wenn es so etwas gäbe, ihren Image-Nobelpreis für nimmermüdes Selbstinszenierungstalent verdient hätten. Das Kultige begann ja schon damit, dass ein eingefleischter Bonn-Liebhaber und Umzugsgegner plötzlich umkippt, weil er merkt, dass seine besten Kunden mit dem fetten Bundesadler ans Ufer der Spree düsen. Der Mann - Friedel Drautzburg - und sein Kumpel Harald Grunert guckten sich 1997 ein Etablissement in bester parlamentarischer Lage aus und gaben ihm gleich noch einen in Ost-Berlin bestens eingeführten Namen: Die alte "Ständige Vertretung" (der BRD in der DDR) hatte sich bekanntlich durch die Einheit erledigt, und dafür kam die neue unbewachte öffentliche StäV der heimatlos entwurzelten Rheinländer.

Personenkult und Kneipenkult sind nun zu einem größeren Werk deutscher Buchkunst verwoben. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Wolfgang Clement bescheinigt dem Duo StäV, dass es ihm geglückt sei, "der Preußen-Hochburg Berlin rheinische Lebensart zu vermitteln" - eine Kneipe als "kölschgehärtete Speerspitze des Rheinlandes im Fleische der Preußen". Bonns Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann hat beobachtet, was an der bekanntesten Berliner Kölsch-Quelle geschieht: Da wird das Heimweh weggespült, die Neugier befriedigt (irgendein Promi sitzt immer an den langen Tischen) und die Vergangenheit glorifiziert. Manche Leute kommen in den gastonomischen Zeittunnel, gucken sich die Raritäten an den Wänden an, trinken ihr Kölsch - und gehen wieder. Andere sagen sich "Wer weiß, wofür et jot es!", bleiben die halbe Nacht.

Solche Sachen finden sich spaltenlang in dem StäV-Buch, das uns ausführlich mit der Vita der StäV-Manager als langjährige Polit-Gastronomen bekannt macht. Günter Gaus erzählt von der Ur-StäV in der Hannoverschen Straße, Laurenz Demps von der spannenden Historie des Schiffbauerdamms, Rolf Eden nennt die StäV einen Goldesel, Elisabeth Binder verfolgt Drautzburgs Umkehr-Weg ("Auch Du, Friedel!?!?!"), uns werden die Geheimnisse Rheinischer Ess- und Trinkwaren enthüllt und tief ins Innere von Flönz (Blutwurst) geblickt. Das Chef-Duo lässt den Gast, der das Buch natürlich als Souvenir mit nach Hause nimmt, bei einem Rundgang an den Kostbarkeiten dieses "einzigartigen Museums der Bonner Republik" teilhaben und vergisst nicht, die Toiletten zu empfehlen. Hier kann in aller Muße und im Stehen die heftige Bundestagsdebatte zum Regierungsumzug von den Wänden abgelesen werden. Dass in der Kneipe der Berliner Karnevalszug der Neuzeit geboren wurde, muß auch noch gesagt und geschrieben werden: "Die Karawane zieht weiter, der Sultan häät Durscht".

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