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Starke Augenblicke: Starfotograf Steve Schapiro und sein "Taxi Driver"

Starfotograf Steve Schapiro war dabei, als Martin Scorsese "Taxi Driver" mit Robert de Niro drehte. Aus den Bildern entstand jetzt ein opulentes Buch, das in Berlin vorgestellt wird.

Das Gemetzel läuft gut, bedarf aber einer Unterbrechung. Vorn liegt ein Mann in seinem Blut, im Gesicht hässliche Löcher. Ein gestikulierender Bärtiger am Boden dahinter, gegen die Zimmerwand gelehnt, scheint noch intakt und munter, ein Dritter beugt sich über ihn. Eine bizarre Szene: Wer ist Täter, wer das nächste Opfer? „Ein starkes Bild. Ich bin sehr glücklich darüber.“ Der Filmfotograf Steve Schapiro kann sich gut erinnern, wie es entstand, während der Dreharbeiten zu „Taxi Driver“: „Es war bei der finalen Schießerei. Die Person am Boden war bereits ,chilled’, wie es unter Filmleuten heißt. Und Marty erklärte der Crew die nächste Einstellung.“

Marty – das war Martin Scorsese, damals ein junger Spund, schlank und bärtig, der erste Achtungserfolge gedreht hatte und 1976, mit „Taxi Driver“, plötzlich berühmt war. Der Film ist längst eine Ikone, ein Alptraum aus dem New York der 70er Jahre, mit Robert de Niro als psychotischem Vietnam-Veteranen und Taxifahrer Travis Bickle, der die minderjährige und drogenabhängige Prostituierte Iris, dargestellt von der zwölfjährigen Jodie Foster, aus dem Sumpf ihres Dreckslebens befreien will und dabei ein Blutbad anrichtet. Schapiro, heute 76 Jahre alt, in der oft unterschätzten Riege der Setfotografen selbst legendär, hat die Dreharbeiten begleitet, wie er das hunderte Male tat, bei Filmen wie „Asphalt Cowboy“, „Chinatown“, „Blow Up“ oder „Der Pate“. Ein Mann, dessen Fotos selbst zu Ikonen der Kinogeschichte wurden, über die das Publikum oft den ersten Eindruck von einem Film erhielt, die als Plakatmotive dessen Image prägten. Ein Bildkünstler, der auch jenseits der Standfotos für die Werbung die Dreharbeiten genau beobachtete, immer lauernd auf jene besonderen Momente, in denen Film und Wirklichkeit zu verschwimmen scheinen.

Aus Schapiros Fotos sind auch Bücher entstanden, das neueste zu „Taxi Driver“, am Sonnabend stellt er es im Berliner Geschäft des Taschen-Verlags vor. In der Stadt entstanden bereits die Repros zum Buch, um sie zu überwachen, war Schapiro schon einmal aus Chicago hergekommen, hatte dabei den Berliner „Taxi Driver“-Teppich im Cinestar am Potsdamer Platz fotografiert – blutrot mit hineingewebten Ausschnitten aus dem Script.

Ob er bei den Dreharbeiten geahnt habe, welch großartiger Film da entstehe? Das sei immer sehr schwer vorauszusagen. „Sicher, was die Schauspieler boten, war sehr gut, der Regisseur wusste, was er tat, und man hatte das Gefühl, in einer sehr dramatischen, hochemotionalen Situation zu stecken. Aber bevor der Film nicht geschnitten ist, weiß man nie, ob er wirklich an die Oberfläche kommt.“ In diesem Fall ist das geglückt, bei „Der große Gatsby“ mit Robert Redford nicht: „Wunderschöne Bilder, die sich dahinschleppen.“

Sein „Taxi Driver“-Werk ist ein opulent aufgemachter Band mit meist unveröffentlichtem Material, in limitierter Auflage und mit stattlichem Preis. Schapiro sieht darin „mehr ein Foto- als ein Filmbuch“ , angelehnt an Scorseses Meisterwerk, aber doch davon verschieden, keine bloße Nacherzählung der Geschichte im anderen Medium. Viele Fotos seien dabei, die nicht unmittelbar den Film erklärten, teilweise gar nicht darin auftauchten. „Die Fotos haben ihre eigene Dimension und Emotionalität, ihren eigenen Erzählfluss.“

Und teilweise sind sie sogar authentischer als der Film selbst. In der Urversion war das in Strömen vergossene Blut noch tiefrot, was Scorsese eine – wirtschaftlich problematische – Altersfreigabe ab 18 einbrachte. Erst als er die Farbe veränderte und abdunkelte, hin zu rötlichem Braun, wurde „Taxi Driver“ in den USA ab 17 freigegeben. Da aber die Urkopien längst ausgeblichen sind, ist das nicht mehr rückgängig zu machen – schlecht für Scorsese, gut für Schapiro: „Wenn man sehen will, wie der originale Film aussah – es ist im Buch.“

Auch eine für das Gelingen des Films entscheidende Person kommt im Buch zu Ehren, Seite an Seite mit Jodie Foster: ihre damals 19-jährige Schwester Connie, die immer dann als Double einspringen musste, wenn Jodies Hurenrolle Dinge erforderte, die die Jugendschutzbestimmungen für eine Zwölfjährige nicht zuließen. Und selbstverständlich ist die berühmteste Szene, deren Textzeilen zu den meistzitierten der Kinogeschichte gehören, in zahlreichen Bildern präsent – Travis Bickle vor einem Spiegel, wie er für seine Killerrolle probt und sein Spiegelbild zu provozieren versucht: „You talkin’ to me?“ („Du laberst mich an?“). Ein Geniestreich, aber keiner, der dem Autor Paul Schrader zuzurechnen wäre, sein Drehbuch ließ den Text hier offen. „Sag irgendwas, sprich mit dir selbst“, das sei die einzige Anweisung Scorseses gewesen, erinnert sich Schapiro. Und de Niro, der ganz in seiner Rolle aufgegangen war, blickte in den Spiegel, den Revolver in der Hand, improvisierte, sprach zu seinem Spiegelbild – und schrieb damit Filmgeschichte: „You talkin’ to me?“

„Taxi Driver“. Fotos von Steve Schapiro. Herausgegeben von Paul Duncan. Mit einem Vorwort von Martin Scorsese, einem Gespräch zwischen Scorsese und Schrader sowie einem Interview mit de Niro. Taschen Verlag, Köln. 328 Seiten, dreisprachig, limitierte Auflage von 1200 Exemplaren, 500 Euro (zwei Teilauflagen von je 100 Exemplaren mit je einem Originalabzug für 1000 Euro). Schapiro stellt sein Buch an diesem Sonnabend, 16 bis 18 Uhr, im Taschen -Store, Friedrichstraße 180–184, vor.

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