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Berlin: Statt Spritzen auf dem Spielplatz

Seit gestern gibt es zwei Drogenkonsumräume in Kreuzberg und Moabit – Anwohner sind skeptisch

„Meine Tochter hat Angst“, sagt Inge HolbeinHertel. Ihre Tochter Sally geht in die 4. Klasse der James-Krüss-Schule in Moabit. Auf ihrem Schulweg entlang der Birkenstraße liegt seit gestern eine Fixerstube. Ab Montag setzen sich schwer Drogenabhängige hier am U-Bahnhof Birkenstraße oder in der Dresdner Straße 15 in Kreuzberg unter hygienischen Bedingungen und unter medizinischer Aufsicht ihren Schuss.

Vor dem gelb gestrichenen Eckhaus protestieren zwei Dutzend Anwohner gegen die Eröffnung. Sie fürchten ein Abrutschen ihres Kiezes. Auch Inge Holbein-Hertel ist besorgt und will sich ein Bild machen. Mit dabei sind Johanna und Karla, zweieinhalb und eindreiviertel Jahre alt. Sie tragen rote Mützen und turnen durch die blassgelb gestrichenen Räume. Im Beratungszimmer steht ein kaltes Buffet. Sozialwissenschaftler Thomas Sebastian führt die Besucher herum und beantwortet ihre Fragen.

Im ersten Raum stehen Edelstahltische mit medizinischen Utensilien: sterile Spritzen, Tupfer, Venenpflegemittel. An den Tischen können sich sechs Süchtige Spritzen setzen. Nebenan ein kleinerer Raum mit zwei Plätzen zum Rauchen von Heroin. Krankenpfleger sind ständig in der Nähe, um einzuschreiten, falls etwas schief geht. Polizei und Staatsanwaltschaft tolerieren den Konsum in der Fixerstube, sie greifen erst ein, wenn hier Drogen verkauft werden.

Inge Holbein-Hertel ist etwas erleichtert: „Besser sie spritzen hier als draußen.“ Trotzdem bleiben Fragen: „Zieht die Fixerstube die Drogensüchtigen an?“ „Niemand wird aus anderen Bezirken herkommen“, verspricht Thomas Sebastian, „das zeigen Studien zum Beispiel aus Hamburg. Man konsumiert, wo man kauft. Die Abhängigen sind längst hier – nur spritzen sie auf dem Spielplatz.“

Auch Inge Holbein-Hertels Tochter hat schon Spritzen aus dem Gebüsch gezogen. „Es ist gut, dass jetzt über das Problem diskutiert wird. Trotzdem sollte man in der Fixerstube mehr dafür tun, die Süchtigen von den Drogen wegzuholen.“ Doch das ist schwer: „Wir üben nur ganz leichten Druck auf die Junkies aus, geben Tipps und bieten Hilfe an – sonst kommen sie nicht wieder“, erklärt Thomas Sebastian. Inge Holbein-Hertels zwiespältige Gefühle bleiben: „Wie kann es überhaupt so weit kommen?“ ses

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