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Berlin: Sterneküche für die Armen

Die Diakonie lud zu einem besonderen Menü in die Heilig-Kreuz-Kirche: Am Herd standen Starköche, am Tisch saßen Kinder aus Hartz-IV-Familien

Als Familie Murawski um kurz vor drei zum Essen in die Heilig-Kreuz-Kirche kommt, haben Kolja Kleeberg und Alexander Dressel schon einen halben Arbeitstag hinter sich. Seit dem Vormittag rotieren die beiden Starköche und ihre Mitarbeiter im Seitenflügel zwischen Pfannen, Töpfen und Stiegen voller frischer Zutaten. Diakonie-Mitarbeiter haben lange Tische im Kirchenraum aufgebaut und mit Sonnenblumen, Gummibärchen und Bonbons so dekoriert, dass sich jeder herzlich eingeladen fühlen muss. So ist es auch gedacht. Zum letzten Ferienwochenende hat die Diakonie 200 arme Menschen in die Kreuzberger Kirche geladen: 108 Kinder und 92 Angehörige. Allesamt solche, die sonst nicht toll essen gehen können. „Sterneköche kochen für Kids und ihre Eltern“, heißt die von Sponsoren unterstützte Aktion.

Klaus Murawski sitzt zufrieden zwischen seinen Söhnen. Florian kommt in die Dritte, Felix wird bald eingeschult. Murawski studiert die Karte: Lachsfrikadellen, Lammbouletten, Cous-Cous mit Minze, Blattpetersilie und Gambas, Kalbsrollbraten und, und, und. Zubereitet von Köchen, in deren Restaurants 100 Euro für ein Menü gezahlt werden.

Murawski dachte an seine Kinder, als die Diakonie ihn einlud. Deshalb hatte er keine Bedenken, sich als arm zu outen, und sagte zu. Vor zwei Jahren hat der selbstständige Stuckateurmeister aus Wilmersdorf den Offenbarungseid geleistet, weil er sich seinen Beruf und die Zahlungsmoral der Branche nicht mehr leisten konnte. Die Privatinsolvenz läuft, 650 Euro bleiben dem alleinerziehenden Vater im Monat. „Ich bin vom Sozialstaat gut aufgefangen worden“, sagt er. Auto verkauft, Sportstudio gekündigt, Kino gestrichen. „Ich habe jetzt den Luxus zu sehen, wie die Kinder groß werden“, sagt er. Zum Frühjahr hofft er auf eine feste Stelle.

In der Küche sagt Kleeberg: „Das hier ist weder als Kochkurs gedacht noch als Beispiel, was man für einszwanzig auf den Tisch bekommen kann.“ Essen sei Kulturgut und 200 Leuten eine Freude zu machen Grund genug für die Veranstaltung, zumal so kurz vor Schuljahresbeginn.

Murawski erzählt, seine Söhne hätten die Ferien auf dem Spielplatz verbracht und beim Baden. „Jeder Euro, der für die Kinder ausgegeben wird, ist gut angelegt“, sagt er. Und, nachdem er das Menü gelesen hat: „Ich werd’ bestimmt alles durchprobieren.“ Stefan Jacobs

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