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© Wolff

Steuerbetrug: Fahnder könnten bald bei reichen Berlinern klingeln

140 Spezialisten spüren Hinterziehungen nach. Als anfällig gelten Baubranche, Dienstleistungsgewerbe und Gastronomie. Eine Selbstanzeige schützt vor Strafe.

Wolfgang Lübke leitet die Berliner Steuerfahndung und hält spektakuläre Hausbesuche seiner Mitarbeiter in nächster Zeit für möglich. Namen werden nicht genannt, aber Lübke sagt, es gehe auch um „Leute mit richtig Geld“. Und um Aktionen, „die Menschen und Kräfte binden“. Zweistellig sei die Zahl der Fälle, in denen hier ermittelt werde, heißt es bei der Finanzverwaltung. Viele Wege führen nach Liechtenstein – auch von Berlin.

Die Berliner Steuerfahndung ist mit knapp 140 Mitarbeitern die größte bundesweit, berichtet Lübke. An die 2000 Fälle pro Jahr bearbeitet die Mannschaft, die in Abteilungen von etwa je zehn Leuten organisiert ist. Die einen sind Experten für Schwarzarbeit, andere für Internetkriminalität. Oder für Scheinrechnungen, mit denen Kosten von der Steuer abgesetzt werden, die gar nicht angefallen sind. Und eine Abteilung befasst sich mit den Geldbewegungen, die Banken laut dem Geldwäsche-Gesetz melden müssen. Das betrifft verdächtige Transaktionen über 15.000 Euro. Also keine Bausparer, die nach langen asketischen Jahren endlich die Doppelhaushälfte ihrer Träume erworben haben. Aber vielleicht Neukunden, die die Tausender aus dem Ausland oder in bar mitbringen. „Wir hatten schon Sozialhilfeempfänger, die Häuser gekauft haben“, sagt Lübke und blättert in der Statistik des letzten Jahres: 113 Jahre Haft stehen da. Verhängt in Berlin für Steuerhinterziehung. Bei etwa 200 000 Euro hinterzogenen Steuern liege die Schallmauer, ab der man mit Bewährung – oder auch Haft – rechnen müsse. Die Strafe kann auch von der Verwendung des Geldes abhängen: Die Rettung der eigenen, eigentlich längst bankrotten Firma mag das Gericht im Zweifel milder stimmen als die Privatflotte in der Karibik. Als spektakuläres Urteil hat Lübke die viereinhalb Jahre in Erinnerung, die der Drahtzieher eines „Umsatzsteuer-Karussells“ aufgebrummt bekam.

Wie ein solches Karussell rotiert, weiß Vera Junker. Die Vorsitzende der Vereinigung der Berliner Staatsanwälte ist auf Wirtschaftskriminalität spezialisiert und beschreibt das Prinzip so: Ein Kreis von Personen verkauft sich immer wieder dieselbe Sache. Oder eine nicht existierende Sache. Betrogen wird, indem ein Käufer sich die Vorsteuer (ähnlich der Mehrwertsteuer) vom Finanzamt zurückholt, die er dem Verkäufer in Wahrheit gar nicht gezahlt hat. Dem Finanzamt Kosten vorzuspiegeln, die gar nicht entstanden sind, ist das übliche Grundprinzip. Auf ihm kann auch Schwarzarbeit beruhen, bei der eine Leistung billig erledigt und teuer abgerechnet wird. Nach Junkers Erfahrungen sind vor allem Baubranche, Dienstleistungsgewerbe und Gastronomie anfällig dafür.

Viel wird durch Betriebsprüfungen aufgedeckt. „Die übrigen Fälle sind oft Anzeigen von verlassenen Ehepartnern, entlassenen Mitarbeitern und von Konkurrenten“, sagt die Staatsanwältin. Die Steuerberater seien wohl nur am Rande involviert. Genaueres sei wegen deren Schweigepflicht aber oft nicht zu erfahren.

Jetzt lautet der Expertenrat für jene, die heimlich Geld nach Liechtenstein geschafft haben: Dringend mit Anwalt oder Steuerberater über eine Selbstanzeige reden. Die schützt vor Strafe – wenn die Steuer samt Zinsen dann sofort nachgezahlt wird. Wolfgang Wawro, Präsident des Berliner Steuerberaterverbandes, nennt den Aufruf „einen simplen Trick, den Leuten Angst einzujagen“. Er staune, „dass unser Fiskus fünf Millionen investiert“, um an die Informationen zu kommen. Denn die haben die Bank ja offenbar auch nicht auf legalem Weg verlassen.

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