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Berlin: Stickiges Milieu

Tausende von Fischen verenden in Spree und Landwehrkanal. Ursache sind Regen, Abwässer und ein überfordertes Abfluss-System

Ständig klingelte gestern bei Matthias Rehfeld-Klein das Telefon. Der Wasserwirtschafts-Experte von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung musste ständig Alarmeldungen von Anwohnern, Polizei und Feuerwehr hören: Wieder tausend tote Fische im Wasser! Seit dem Wochenende treiben vielerorts tote Bleie, Plötzen und Barsche im Wasser - am Spreeufer in Charlottenburg,am Landwehrkanal in Tiergarten und Kreuzberg. Den Fischen fehlte der Sauerstoff.

An vielen Orten der Stadt, etwa in unmittelbarer Nähe des Schlosses Charlottenburg, mussten gestern Kadaver aus dem Wasser geholt werden. Die Senatsverwaltung setzte am Montag ihr Belüftungsschiff „Rudolf Kloos“ ein, das stündlich das Wasser mit 200 Kilo Sauerstoff anreichern kann. An Wochenenden ist es nicht in Betrieb. „Man müsste zehn solcher Schiffe haben“, hieß es in der Behörde. Das Schiff muss immerhin eine Strecke von bis zu 15 Kilometern bearbeiten. Die Luft-Rettung soll deshalb in den nächsten Tagen ständig unterwegs sein, um Fische zu retten, vermutlich auch am Wochenende. In diesem Jahr soll das Schiff bereits über 300 Einsatzstunden absolviert haben, um das Wasser vorsorglich gesünder zu machen.

Das aber hat offenbar nicht gereicht, das Fischsterben in diesem Ausmaß kam für die Behörden überraschend, vor allem in der Spree. Der Landwehrkanal gilt seit Jahren als problematischer. Die starken Regenfälle vorm vergangenen Wochenende hatten das innerstädtische Mischkanalnetz, in dem Regenwasser und die Abwässer vereint sind, zum Überlaufen gebracht. Damit gelangte ungeklärtes Abwasser, mit Regen verdünnt, in Spree und Landwehrkanal. Den Fischen bekam die Sauerstoff fressende Bakterienzufuhr nicht. Tausende Tiere verendeten qualvoll, wie viel Tonnen es sind, ist bislang unklar. Der Berliner Fischbestand sei aber nicht gefährdet, versicherte die Senatsbehörde. Es seien offenbar auch keine giftigen Stoffe in das Wasser geleitet worden, betonteRehfeld-Klein. Um endgültige Klarheit zu schaffen, sollen einige tote Fische untersucht werden. In den achtziger Jahren waren jährlich bis zu 10 Tonnen toter Fische aus Berliner Gewässern geholt worden. Seit dem Einsatz des Belüftungsschiffes 1995 ging die Zahl bis auf eine Tonne zurück.

Nach Auskunft des Experten zeigt das aktuelle Unglück, wie wichtig die Sanierung des innerstädtischen Mischkanalnetzes ist. Es müssten beispielsweise zusätzliche Stauräume geschaffen werden. „Der marode Haushalt des Landes Berlin ist gefragt“, hieß es. Grundsätzlich sei das Problem nur bei umfassender Sanierung zu lösen. Dafür benötige man rund50 Millionen Euro, die zu 60 Prozent aus dem Landeshaushalt, zu 40 Prozent von den Wasserbetrieben aufzubringen wären. Schwimmen in der Spree würde der Experte jetzt erst recht nicht. Für die Havel werden dagegen keine Gefahren gesehen.

Christian van Lessen

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