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Berlin: Strafvereitelung im Amt?: Moabiter Staatsanwältin zeigte Kriminaloberkommissarin an

Das Verhältnis zwischen der Berliner Staatsanwaltschaft und der Berliner Polizei wird durch eine beispiellose Kontroverse zweier Strafverfolgerinnen bedroht: Vor ein paar Monaten hat eine Moabiter Staatsanwältin ein Ermittlungsverfahren gegen eine Kriminaloberkommissarin wegen Verdachts der Strafvereitelung im Amt eingeleitet. Die beiden Frauen hatten bis dahin zusammen gearbeitet.

Das Verhältnis zwischen der Berliner Staatsanwaltschaft und der Berliner Polizei wird durch eine beispiellose Kontroverse zweier Strafverfolgerinnen bedroht: Vor ein paar Monaten hat eine Moabiter Staatsanwältin ein Ermittlungsverfahren gegen eine Kriminaloberkommissarin wegen Verdachts der Strafvereitelung im Amt eingeleitet. Die beiden Frauen hatten bis dahin zusammen gearbeitet. Der Polizistin wird nach Angaben der Justiz vorgeworfen, eine Akte ein Jahr und zehn Monate lang nicht bearbeitet und dabei einen Ermittlungsauftrag abgelehnt zu haben.

Nun droht der Beamtin eine Geld- oder sogar Freiheitsstrafe. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) nahm die Oberkommissarin gestern vorbehaltlos in Schutz: Der Fall gehe auf Arbeitsüberlastung zurück und sei Ausdruck der "sicherheitsgefährdenden Personalpolitik des Senats", erklärte die Gewerkschaft. Die GdP hat in den letzten Tagen sogar versucht, die Justiz mit einem Schreiben an den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen von dem Verfahren abzubringen.

Die Polizistin hat bei ihrer Anhörung jetzt von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Nach Angaben von Justizsprecherin Anja Teschner ging es bei dem Fall um einen Mann, der wegen Kreditkartenbetrugs und Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt ist und sich in der Bewährungsfrist befand. In dieser Zeit sei er erneut bei der Polizei aufgefallen - "einschlägig". Als die Staatsanwältin von den ermittelnden Polizisten die Akte hierüber erhielt, stellte sie fest, dass es auch ein Videoband von einer Tankstelle gab, offenbar mit Bezug auf einen Betrugsfall. Sie schickte den Vorgang daraufhin an die Polizei zurück mit der Aufforderung, den Tankwart zu befragen.

Anschließend vergingen, so gestern die Justiz, 20 Monate, ohne dass trotz vielfacher Nachfragen etwas geschehen sei. Als die Akte schließlich wieder in Moabit ankam, habe es keine neuen Ermittlungen gegeben - sondern nur den kurzenVermerk der Oberkommissarin, eine Vernehmung des Tankwarts wäre sicher ergebnislos gewesen.

Hintergrund des Vorwurfs der Strafvereitelung ist jetzt der Verdacht, dass dem Scheckbetrüger durch die Untätigkeit der Polizistin eine härtere Strafe erspart geblieben sei. Seine alte Verurteilung ist durch Straferlass inzwischen erledigt.

Die GdP argumentiert dagegen, seit Jahren sei die Polizeiführung auf "die unhaltbaren Zustände bei der Verfolgung von Scheck- und Kreditkartenbetrug" hingewiesen worden. Im letzten Jahr hätten 35 Ermittler rund 23 500 Delikte bearbeiten müsssen. Hunderte Verfahren könnten wegen Personalmangels nicht mehr in angemessener Frist durchermittelt werden. Bei dieser Lage sei die Reaktion der Staatsanwältin "total überzogen und unangemessen". Retourkutsche der Justiz: Die Polizistin hätte doch wohl einen Telefonhörer in die Hand nehmen und sich erklären können. Alles Nähere muss nun ein Strafverfahren klären.

Hans Toeppen

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