zum Hauptinhalt

Berlin: Streit um die Luxusmeile im KaDeWe

Die Geschäftsführung plant eine umfassende Modernisierung des Warenhauses – die Mitarbeiter sind in Sorge um ihre Jobs

In Deutschlands größtem Kaufhaus gibt es Ärger: Die Mitarbeiter des KaDeWe am Tauentzien machten am Mittwoch auf einer Betriebsversammlung ihrem Unmut über die Geschäftspolitik des Managements Luft – zeitgleich zu bundesweit Tausenden Beschäftigten des Mutterkonzerns Karstadt-Quelle. Hauptgrund für den Streit: die neue Strategie der Konzernzentrale, mehr Verkaufsfläche in den Warenhäusern an externe Firmen zu vermieten, um die Kosten zu drücken. Beim KaDeWe soll die neue „Luxusmeile“ im Erdgeschoss von Markenfirmen wie Gucci, Dior oder Louis Vuitton betrieben werden. Die Luxusshops sind Teil eines umfassenden Umbaus, mit dem das KaDeWe den Umsatzrückgang der letzten Jahre stoppen will.

Die Arbeitnehmervertreter fürchten, dass Mitarbeiter der Fremdfirmen unter Tarif bezahlt werden, während bei Karstadt selbst Tausende Arbeitsplätze abgebaut werden könnten. „Der Vorstand verabschiedet sich Schritt für Schritt von den Warenhäusern“, sagt Wolfgang Pokriefke, Gesamtbetriebsratschef von Karstadt. Die Arbeitnehmervertreter kündigten bereits Widerstand an. „Der KaDeWe-Betriebsrat wird alles tun, damit nicht zu viel Fläche vermietet wird“, sagt Pokriefke. Eine Sprecherin des KaDeWe-Betriebsrates sagte nach der Betriebsversammlung, die Auslagerung von Flächen gehe zu Lasten der eigenen Abteilungen. Über weitere Schritte werde derzeit beraten.

Ein Streit mit dem starken Betriebsrat des Kaufhauses kommt für den seit November amtierenden KaDeWe-Chef Patrice Wagner sehr ungelegen. Wagner will das KaDeWe grundlegend erneuern und investiert rund 40 Millionen Euro in den Umbau des Hauses. Wesentlicher Teil des neuen Konzepts: Bis zu 20 Prozent der Verkaufsfläche sollen vornehmlich an bekannte Markenhersteller untervermietet werden. Bisher liegt der Anteil der Konzessionäre nur bei rund fünf Prozent. „Das wäre eine gute Mischung, von der beide Seiten profitieren“, verteidigt Wagner seine Pläne im Gespräch mit dem Tagesspiegel. „Der Markenhersteller nutzt unseren Standort, und wir erhöhen unsere Profitabilität.“ In renommierten Kaufhäusern wie Harrods in London oder den Galeries Lafayette in Paris läge der Anteil der vermieteten Flächen schon weitaus höher als in Deutschland.

Mit dem neuen Konzept will Wagner die zuletzt mäßige Umsatzentwicklung stoppen. In der konsumfreudigen Nachwendezeit stieg der Umsatz des größten Warenhauses Deutschlands von 230 Millionen Euro 1996 auf rund 350 Millionen Euro in den Jahren 2000 und 2001. Danach blieb auch das erfolgsverwöhnte KaDeWe nicht von der Konsumflaute verschont. Im vergangenen Jahr lag der Umsatz nach Angaben Wagners bei rund 300 Millionen Euro. Gleichzeitig schrumpften die Gewinne. „Während sich der Umsatz im letzten Jahr stabil entwickelte, stiegen die Kosten weiter an“, sagt Wagner. Trotzdem ist das KaDeWe, das betont man auch in der Karstadt-Zentrale in Essen, einer der wichtigsten Gewinnbringer des Konzerns.

Die neue Strategie des KaDeWe sieht im wesentlichen eine Konzentration auf die stärksten Sortimente des Hauses vor. „Wir wollen moderner werden und uns noch stärker von anderen Warenhäusern unterscheiden“, sagt Wagner. Im Erdgeschoss wird das KaDeWe die „Luxusmeile“ für Uhren, Schmuck, Accessoires und Parfüms einrichten. „Auch der Bereich Fashion bekommt mehr Platz“, sagt Wagner. Bisher belegte Kleidung 24 Prozent der Fläche, machte aber 35 Prozent des Umsatzes aus. Andere Sortimente müssen dafür weichen. Nicht nur das Café musste schließen, auch das Reisebüro wird verkleinert und die Stoff- und Teppichabteilung in die Passauer Straße ausgelagert. Bei Sportartikeln konzentriert sich das KaDeWe künftig auf sportliche Mode, den Verkauf von Hardware überlässt es den Spezialisten der Konzerntochter Karstadt Sport am Bahnhof Zoo. Bis zum hundertsten Geburtstag des Kaufhauses im Jahr 2007 soll der Umbau abgeschlossen sein.

Branchenexperten sehen weniger hausgemachte Probleme, sondern die allgemeine Marktentwicklung als Grund für die Krise des Warenhauses. „Auch ein Spitzenkaufhaus wie das KaDeWe kann sich auf Dauer nicht von den grundlegenden Konsumtrends abkoppeln“, sagt Rolf Spannagel, Geschäftsführer des Handelsforschungsinstituts FFH. Seit Jahren gehe der Marktanteil der Warenhäuser im Einzelhandel kontinuierlich zurück. Stattdessen kaufen die Leute bei SB-Warenhäusern in Einkaufszentren, großflächigen Fachmärkten oder Textilketten ein. Seit der Wiedervereinigung wurden in Berlin 36 Shoppingzentren gebaut, die Einzelhandelsfläche verdoppelte sich auf 4,1 Millionen Quadratmeter nahezu. Gleichzeitig sank nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 die Zahl der Berlin-Touristen drastisch, die rund 30 Prozent zum KaDeWe-Umsatz beisteuern.

DER NEUE CHEF

Patrice Wagner rückte im November 2003 an die Spitze des KaDeWe. Der 37-jährige Franzose löste den langjährigen KaDeWe-Chef Volker Weihe ab, der vorzeitig in den Ruhestand ging. Wagner kam 2002 von den Galeries Lafayette zum

KaDeWe.

DAS NEUE

KONZEPT

Das neue KaDeWe will mehr Luxus bieten, ohne ein reines „Luxuskaufhaus“ zu sein, betont Geschäftsführer Wagner. Neben sehr teuren Waren werde weiter das mittlere Preissegment bedient. 40 Millionen Euro investiert das KaDeWe in die Modernisierung des Hauses.

DAS KADEWE IN ZAHLEN

Das Kaufhaus des Westens ist mit 60 000 Quadratmetern Verkaufsfläche das größte Warenhaus auf dem europäischen Festland. Durchschnittlich 40 000 Kunden zählt das Vorzeigehaus des Karstadt-Konzerns pro Tag. Umsatz 2003: rund 300 Millionen Euro.

Maurice Shahd

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false