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Faust auf Faust. Der sowjetische Bildhauer Lew Kerbel schuf einst das Thälmann-Denkmal. Zum 100. Geburtstag des deutschen Kommunistenführers wurde es im Jahr 1986 enthüllt. Schon damals war es bei vielen Ost-Berlinern umstritten.

© Britta Pedersen/dpa

Streit um einen Antifaschisten: Gegner und Freunde demonstrieren am Thälmann-Denkmal

Das Ernst-Thälmann-Denkmal an der Greifswalder Straße polarisiert seit seiner Enthüllung 1986. Jetzt demonstrierten Gegner und Freunde am Sockel.

Er steht immerhin auf der Berliner Denkmalliste, doch das möchten die Jungen Liberalen gern ändern. Weg mit Ernst Thälmann, fordern sie neuerdings. Verschwinden soll der Bronzeschädel an der Greifswalder Straße – das Monument, das an einen der bekanntesten deutschen Kommunisten erinnert, einen Gegner der Weimarer Republik, der zum Opfer der Nationalsozialisten geworden und 1944 im KZ getötet worden ist.  In einer Polit-Aktion zogen zwei Dutzend Julis am Samstagmittag vor das Denkmal, um es zu sprengen – symbolisch. Rund 100 Kommunisten und 20 oder 30 Antifaschisten demonstrierten derweil gegen die Julis und für Thälmann. Dutzende Polizisten hielten die Beteiligten auf Abstand voneinander.

Dass mit dem Denkmal etwas passieren sollte, findet der grüne Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, Jens-Holger Kirchner, schon lange. Er will einen „kreativen Umgang“ mit dem großkalibrigen Werk, das schon bei seiner Enthüllung 1986 bei vielen Ost-Berlinern auf Ablehnung stieß. Das Denkmal „bedarf einer Kommentierung“, sagte Kirchner, „sonst denken die Leute noch, das war ein Held“. In einem Werkstattverfahren des Bezirksamts seien gerade Ideen gesammelt worden, „gute Ideen“, wie der Stadtrat sagt.

Den Nord-Berliner Jungen Liberalen geht das offenbar nicht schnell genug. Ihre Polit-Aktion rief indes die Thälmann-Verteidiger von der Deutschen Kommunistischen Partei mit diversen roten Fahnen auf den Plan. Die These der DKPisten und der Thälmann-Verehrer von der „Ernst-Thälmann-Gedenkstätte Ziegenhals“ war, dass die „Provokation“ der Julis „eine klare Positionierung in Richtung rechts, hin zum schwarz-braunen Sumpf“ darstelle. Weil die Julis wollen, dass die Denkmalfläche mit Wohnungen bebaut wird, fühlten sich auch antifaschistische Gentrifizierungsgegner zur Gegendemonstration animiert: Rund um den Thälmann-Park seien Townhouses und Eigentumswohnungen in Planung. Die Julis verbänden mit ihrer Symbolaktion „Geschichtsklitterung“ und Interesse an einem „neoliberalen Umbau der Stadt“. Die „geschichtsrevisionistische Aktion“ der Julis gelte es zu verhindern, erklärten die Antifas auf der Internetplattform „indymedia“.

Ausgestattet mit einer kraftvollen Musikanlage und eingeübt in Sprechgesänge wie „Julis, zieht den Fallschirm an, macht’s wie Jürgen Möllemann“, waren die Antifas propagandakampfbereit, als die Julis unter Polizeischutz vor das Denkmal zogen. Zehn Minuten lang hielten sie Transparente und gelbe Fahnen hoch. „Willkommen im Ella-Kay-Park“, proklamierten die Jungen Liberalen; an die Sozialdemokratin aus Prenzlauer Berg, die zu NS-Zeiten dem Widerstand angehörte, erinnert bereits ein Straße westlich des Thälmann-Parks.

Kommunistische Fahnenträger hielten dagegen Rosa Luxemburg hoch, eine alte Frau am Rollator empörte sich über die „ungeheure Frechheit“ der Julis und machte sich, die rote Nelke in der linken Hand, auf, um Thälmanns Monument persönlich von den Julis zu befreien. Eine junge Polizistin bremste sie. Ein paar Minuten später zogen die Julis unter polizeilichem Begleitschutz zur S-Bahn ab.

Die Demontage des Thälmann-Monuments war bereits 1993 im Gespräch – eine Mehrheit dafür fand sich schon damals nicht. Anders erging es dem gigantischen Lenin, der einmal auf dem Leninplatz (heute Platz der Vereinten Nationen) mit strengem Blick aus fast 19 Metern Höhe das Wirken der Menschlein betrachtete. Der Film „Good Bye, Lenin!“ hat das Ende des Ur-Revolutionärs verewigt. Mit Thälmann ist man heute nicht mehr ganz so streng.

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