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© Günter Peters

Streit um Hartz IV: Arbeiten für das Gemeinwohl

Arbeitssenatorin Bluhm sieht im öffentlichen Beschäftigungssektor Berlins ein Modell für die Republik.

„Ein Modell für die Republik“ – so nennt Berlins Arbeitssenatorin Carola Bluhm (Linke) ihr Prestigeprojekt, den öffentlichen Beschäftigungssektor (ÖBS) für Langzeitarbeitslose. Sie reagiert damit auf Äußerungen von Hannelore Kraft, der nordrhein-westfälischen SPD-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl im Mai, die einen gemeinwohlorientierten Arbeitsmarkt fordert. Dadurch ist jetzt bundesweit die Debatte um den Umgang mit Hartz IV wieder entfacht worden. In Berlin gebe es einen solchen Sektor bereits seit 2006, sagt Bluhm: „Rund 7600 Langzeitarbeitslose finden hier eine neue berufliche Perspektive.“

Die ehemals Langzeitarbeitslosen erhalten ein Tarifgehalt, mindestens jedoch 1300 Euro brutto, und sind renten-, kranken- und pflegeversichert. Arbeislosenversicherung wird nicht bezahlt, damit nicht nach Auslaufen einer Maßnahme eventuell ein Anspruch auf das höhere Arbeitslosengeld I entsteht. Finanziert werden die Jobs durch Bundes- und Landesmittel. Vermittelt werden in der Regel nur Langzeitarbeitslose, die zwei sogenannte Vermittlungshemmnisse haben. Dazu zählt beispielsweise, wenn jemand keinen Schulabschluss hat oder nur über schlechte Deutschkenntnisse verfügt.

Die Jobs sind in gemeinnützigen Bereichen entstanden und größtenteils auf zwei Jahre befristet. ÖBS-Beschäftigte helfen bei der Betreuung von alten oder behinderten Menschen, sind in kleinen Kultureinrichtungen tätig oder leisten ergänzende Arbeit in Schulstationen. Auch sogenannte Energieberater, die finanzschwachen Haushalten Tipps zur sparsamen Energienutzung geben, sind im Einsatz. Laut Bluhm schaffen die Tätigkeiten den ehemals Arbeitslosen neue Perspektiven, „und zugleich profitiert die Gemeinschaft davon“. Nach Angaben der Arbeitssenatorin kostet jeder dieser geförderten Arbeitsplätze das Land Berlin knapp 280 Euro mehr, als wenn man lediglich die Leistungen des Arbeitslosengeldes zahlt.

Ein ähnliches Modell war zuerst in Sachsen-Anhalt initiiert worden. Der kleine Ort Bad Schmiedeberg rief das Projekt Bürgerarbeit ins Leben, das damals bundesweit Bekanntheit erlangte. Der wesentliche Unterschied zu Berlin besteht vor allem in der Bezahlung: Dort gibt es nur 800 Euro für die Jobs; derzeit sind 47 Menschen beschäftigt. Laut der zuständigen Arge (Jobcenter) Wittenberg haben einige der früheren Teilnehmer durch die Bürgerarbeit in einem Altenheim und in einer Kureinrichtung dort einen festen Arbeitsplatz finden können.

Bei der Regionaldirektion für Arbeit betrachtet man den ÖBS mit Skepsis – die Kosten seien vergleichsweise hoch, andere Beschäftigungsprojekte seien billiger. Etwa die Ein-Euro-Jobs, in denen gut 31 000 Menschen arbeiten. Diese haben aber immer nur eine Laufzeit von einem halben Jahr und dürfen ebenfalls nur gemeinnützig sein, damit keine regulären Arbeitsplätze verdrängt werden. Aus diesem Grund wurde mit den Kammern eine Liste von zugelassenen Beschäftigungsmöglichkeiten aufgestellt.

Nicht gemeinnützig, aber durchaus im öffentlichen Interesse ist die zeitweise Beschäftigung Arbeitsloser bei der BSR für den Winterdienst und jetzt im Rahmen der Frühjahrsputzaktion. Rund 2000 Menschen haben so derzeit für einige Wochen einen sozialversicherungspflichtigen Job. Gezahlt werden dabei nach Angaben der Regionaldirektion für Arbeit 54 Euro pro Tag. Das Interesse an den Jobs war riesig. 27 000 Menschen haben sich gemeldet. „Immer wenn die BSR aufruft, haben wir eine enorme Resonanz“, sagt Regionaldirektionssprecher Olaf Möller.

 Sigrid Kneist

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