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Berlin: Strieder will mit Eigentümern verhandeln Um dieses Haus wird gestritten: Es geht um monatlich 18 122 Euro

Nach der Schlappe des Senats im Rechtsstreit um die Sozialbauförderung fordert die FDP Sarrazins Rücktritt

Die erste juristische Niederlage des Senats im Streit um die Sozialwohnungsförderung stellt die Finanzplanung des Landes in Frage. Das Berliner Oberverwaltungsgericht (OVG) hatte – wie in einem Teil der gestrigen Ausgabe berichtet – am Donnerstag das Land verpflichtet, einer Eigentümergesellschaft von 30 Mietwohnungen in Neukölln weitere Fördermittel in Höhe von je 18 122 Euro monatlich zu zahlen. Das Gericht erklärte dabei die sofortige und vollständige Einstellung der Förderung durch das Land für unzulässig. Der Senat hatte den Förderungsstopp im Februar beschlossen, wobei sich Finanzsenator Thilo Sarrazin gegen Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (beide SPD) durchsetzte. Strieder plädierte für einen abgefederten Ausstieg aus der Förderung, wie ihn auch eine Expertenkommission empfahl. Ein solches Vorgehen erklärte jetzt auch das Gericht für zulässig.

Jedoch darf nach dem Beschluss des 5. Senats des OVG die Verminderung oder Einstellung der Förderung nicht die wirtschaftliche Existenz der betroffenen Hauseigentümer vernichten. Dies wäre im vorliegenden Fall aber eingetroffen. Die Entscheidung fiel im Eilrechtsschutzverfahren; bis zu einem möglichen Urteil im Hauptverfahren muss das Land Berlin daher weiterzahlen. Rechtsmittel gegen diesen Beschluss gibt es nicht.

Mit der Entscheidung des OVG ist es fraglich geworden, wie viel der Senat durch den Förderstopp sparen kann. Bisher erhoffte der Finanzsenator eine Summe von rund drei Milliarden Euro in den nächsten 15 Jahren.

Der Rechtsanwalt der Kläger, Klaus Riebschläger, sagte am Freitag: „Wir haben einen Musterprozess gewonnen.“ So wie in diesem Verfahren werde das Gerich t auch in allen anderen entscheiden, wenn Hauseigentümern nach Wegfall der Förderung die Insolvenz droht. Nach Angaben der Verbände Berliner Wohnungsunternehmen LFW und BBU sind derzeit rund 15 Eilrechtsschutz- und 15 Hauptverfahren anhängig. Das Ende der Förderung träfe in den nächsten Jahren etwa 400 Unternehmen mit zusammen rund 25 000 Sozialwohnungen.

Das OVG begründete seinen Beschluss mit dem Vertrauensschutz, den die Investoren genössen, die sich von 1986 an für den geförderten Bau von Sozialwohnungen entschieden hatten. Auch wenn die Subventionen damals ausdrücklich nur über 15 Jahre bewilligt wurden, so durften die Investoren davon ausgehen, dass sie anschließend weitere 15 Jahre lang die „Anschlussförderung“ erhalten – dies nicht zuletzt aufgrund öffentlicher Äußerungen der verantwortlichen Politiker. Nach Auffassung des Gerichts musste den Politikern schon damals bewusst gewesen sein, dass diese Förderungspraxis enorme Haushaltsrisiken berge. Da sie trotzdem anders entschieden hätten, könnten sie nicht heute das abrupte Ende der Förderung mit der extremen Haushaltsnotlage rechtfertigen.

Die Finanzverwaltung hält gleichwohl an ihrer Position fest. Man warte nun ab, wie die Entscheidung im Hauptverfahren ausfalle. Gegebenenfalls werde der gesamte Rechtsweg ausgeschöpft, so die persönliche Referentin Sarrazins, Sandra Hildebrandt.

Stadtentwicklungssenator Strieder zog einen anderen Schluss aus der Entscheidung: Der Senat solle mit den Wohnungsunternehmen nun über einen „sanften“ Ausstieg aus der Förderung verhandeln. Ein Weg durch alle Instanzen bedeute dagegen, „wir zahlen so viel wie jetzt und verlieren wertvolle Zeit“.

Auch der Wohnungsbauexperte der CDU-Fraktion, Klaus Reppert, forderte Verhandlungen mit den Unternehmen. Deren Verbände erklärten am Freitag bereits ihre Gesprächsbereitschaft. FDP-Fraktionschef Martin Lindner indes glaubt jetzt nicht mehr an eine Kompromissbereitschaft der Unternehmen. Sarrazin habe „va banque“ gespielt und verloren. Er müsse zurücktreten.

Die Sistra Verwaltungsgesellschaft mbH & Co. Silbersteinstraße KG errichtete auf ihrem Neuköllner Grundstück Silbersteinstraße/Ecke Walterstraße Mitte der achtziger Jahre 30 Mietwohnungen im sozialen Wohnungsbau. Kostendeckend wäre eine monatliche Miete von 11,86 Euro pro Quadratmeter gewesen, die genehmigte Durchschnittsmiete lag bei 2,50 Euro pro Quadratmeter. Die Sistra erhielt ab 1988 Wohnungsbauförderung zunächst für die Dauer von 15 Jahren, um diese Differenz auszugleichen. Das waren rund 3,86 Millionen Euro. Ab dem dritten Jahr wurde die Förderung monatlich um 10 Cent pro Quadratmeter reduziert. Zuletzt lag die kostendeckende Miete bei 11,09 Euro pro Quadratmeter, die genehmigte Durchschnittsmiete bei 3,90 Euro pro Quadratmeter. Die Sistra beantragte vor dem Auslaufen der Grundförderung Ende Januar 2003 gemäß der Richtlinie für den sozialen Wohnungsbau eine weitere 15-jährige Förderung, die jedoch abgelehnt wurde. Dabei geht es um monatlich 18 122,51 Euro. Text: sib, Foto: Sven Lambert

Holger Wild

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